„Manchmal braucht die Wut ein Ventil“ - Im Gespräch mit Stefan Netschio (Beborn Beton) über „Darkness Falls Again“ und die Themen unserer Zeit
📸: Chris Ruiz

„Manchmal braucht die Wut ein Ventil“ - Im Gespräch mit Stefan Netschio (Beborn Beton) über „Darkness Falls Again“ und die Themen unserer Zeit

Wenn man über das Jahr 2023 eines guten Gewissens behaupten kann, dann wohl, dass es für Musikfans sehr ergiebig ist. Wir haben noch nicht einmal die Halbzeit erreicht und schon viele tolle Alben präsentiert bekommen. Eines dieser Alben, das man immer wieder gerne hört, ist zweifelsohne „Darkness Falls Again“ von Beborn Beton, das seit Mitte März erhältlich ist. Acht Jahre sind seit dem Vorgängerwerk „A Worthy Compensation“ vergangen. Acht Jahre, in denen so unheimlich viel passiert ist in der Welt. Das habe ich zum Anlass genommen, mal wieder mit Stefan Netschio, dem Sänger und Frontmann des Ruhrpott-Trios, zu unterhalten. Über das neue Album natürlich, aber wir spannen auch den Bogen vom Klima über gesellschaftliche Verwerfungen, von der Pandemie über Querdenker und Verschwörungstheoretiker bis zum Thema KI. Wie gesagt, acht Jahre sind eine lange Zeit und es gab viel zu erzählen.

Roman Empire: Seit „A Worthy Compensation“ sind es dieses Mal acht Jahre gewesen, die ins Land gezogen sind. Durch die Dinge, die in den vergangenen Jahren so passiert sind, von dem sinnlosen Krieg in der Ukraine über die Pandemie bis zur sich verschärfenden Klimakrise, fühlt sich die Zeit gleich nochmal so lang an. Wie ist es Euch ergangen, seit wir uns zuletzt an dieser Stelle unterhalten haben?

Stefan Netschio: Da wir uns ja „off the record“ öfter mal schreiben und chatten, kommt mir diese Frage etwas surreal vor, weil in der Tat sich die Zeit kurz nach Veröffentlichung von „A Worthy Compensation“ bis jetzt wie eine Ewigkeit anfühlt. Nach der Veröffentlichung eines Albums schließt man das Kapitel ja nicht ganz. Die Songs werden danach live präsentiert und Berichte, Reviews, Publikumsresonanzen und Chartplatzierungen haben immer so einen Nachklang. Letztendlich ist eine große Last von uns abgefallen, weil wir nach so langer Zeit unser Publikum wiedergefunden haben und neue Fans dazugewinnen konnten.

Das war eine Zeit voller Euphorie und Genugtuung darüber, dass kein Zweifel daran aufkam, dass es das beste Album war, das wir bis dato gemacht haben. Aber irgendwann fällt man dann in ein Loch, weil sich ein Großteil des Alltags nicht mehr um das Album dreht, in der Art und Weise, wie das in den knapp zehn Jahren davor der Fall war. Wir haben ja recht lange mit Olaf Wollschläger an den Songs gefeilt, uns dann ein Label gesucht, eine Strategie und zeitgleich das Albumartwork entwickelt. Es war das erste Album nach einer sehr langen Zeit, und wir haben nichts dem Zufall überlassen und so lange an allem rumgebastelt, bis es für alle gepasst hat.

Und dann war das Baby draußen, wurde gebührend begrüßt und gefeiert. Als dann wieder Normalität im Hause Beborn Beton einzog, stellten wir uns die Frage: War das wirklich das beste Album, das wir je gemacht haben werden? Können wir dieses Niveau jemals toppen oder ansatzweise halten? Bis zu dem Zeitpunkt war von der Apokalypse noch nichts zu erahnen.

Roman Empire: Nach dem Erscheinen von „A Worthy Compensation“, wie ging es damals für Euch weiter?

Stefan Netschio: Nachdem „A Worthy Compensation“ veröffentlicht war, ging’s erst einmal auf die Bühne, um die Songs mit unseren Fans live zu feiern. Aber wir hatten unser Pulver ja noch nicht verschossen. Aufgrund der sehr positiven Resonanz zum Album entschlossen wir uns, noch eine EP nachzuschieben. Das Stück „She Cried“ hatte sich als einer der Fanfavourites herauskristallisiert und so wurde es mit Remixen verschiedener Albumtracks und einer Coverversion des Songs „The Black Hit Of Space“ von The Human League angereichert. Für diesen Track sind wir ein weiteres Mal zu Olaf ins Studio gegangen. Das dazu passende Video haben wieder unsere Freunde von ge-filmt.de bei einer Show im Oberhausener Kulttempel gefilmt.

Dann, nachdem dieser Zyklus abgeschlossen war, stellten sich die drei jungen Alten, geerdet und zurück aus dem Pop-Olymp, die bereits oben genannte Frage. Können wir so weitermachen? Werden wir in der Lage sein, ein weiteres Album dieser Güte zu offerieren? In der Zwischenzeit lief der Wahlkampf um das Amt des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten und Donald Trump wurde im Juli 2016 als Kandidat der Republikanischen Partei nominiert. Ein Witz, so schien es zunächst, und ein schlechter noch dazu. Denn was im Vorfeld und im Verlauf des Wahlkampfs alles an Schlechtigkeit zutage trat, war einfach zu haarsträubend, als dass diese Kandidatur wirklich von Erfolg gekrönt werden könnte. Und plötzlich waren wir getriggert von diesem Szenario der Idiokratie, aber das sollte erst der Anfang sein …

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