Eine ganze Weile vor dem Siegeszug der Musik-Streamingplattformen wie Spotify oder Apple Music war Musik als mp3 der heiße Scheiß. Ich erinnere mich noch, wie ich eines meiner ersten Gehälter als Buchhandels-Azubi im örtlichen ProMarkt (gibt es schon eine ganze Weile nicht mehr) in einen Rio PMP300 der Firma Diamond Multimedia investierte. Unfassbare 32 MB Speicher hatte das Ding damals, was umgerechnet ungefähr 6 bis 10 Songs entsprach, die ich seinerzeit in – nach heutigen Maßstäben – eher mittelprächtiger Qualität speichern konnte.
Um an mp3-Dateien zu kommen, gab es Ende der 1990er-Jahre nicht allzu viele Möglichkeiten. Klar, Napster war schon am Start. Aber das hat doch keiner gemacht. Also nicht nur, weil das illegal war, sondern auch, weil eine mp3-Datei mit einem 56k-Modem einfach keine Freude war. Noch dazu, weil wir noch ein ganzes Ende davon entfernt waren, immer online zu sein.
Die andere Möglichkeit war, die eigene CD-Sammlung zu digitalisieren. Das war auch keine allzu große Freude, zumal man sich um die Pflege der korrekten Tags (also Meta-Daten wie Interpret, Titel, Album, Erscheinungsjahr usw.) noch selbst kümmern musste. Die CD-Sammlung zu digitalisieren, konnte sich also in ein zeitraubendes Hobby entwickeln, zumal die Geschwindigkeit der CD-ROM-Laufwerke ebenfalls einen Anteil hatte.
Ließ man die Fehlerkorrektur weg, ging es zwar etwas schneller, dafür konnten sich aber auch störende Artefakte in die Dateien und somit Lieder einschleichen. Von der Bequemlichkeit, einfach „Hey Alexa, spiele Taylor Swift auf Spotify!“ rufen zu können und quasi den kompletten Katalog der Sängerin vorgedudelt zu bekommen, waren wir noch Lichtjahre entfernt.
Und doch – es wurde gemacht. Es war cool damals, neu und fühlte sich irgendwie nach Aufbruch, nach musikalischer Zukunft an. Ich war einfach der King damals mit meinem mp3-Player, lange bevor die iPods die Teile salonfähig machten. Und natürlich habe ich damals die konvertierte Mucke auch permanent am Rechner gehört. Beim Zocken, beim Hausaufgaben machen, beim Schreiben der ersten Texte, die ebenfalls Ende der 90er ins Internet gingen. Mein ständiger Begleiter damals: Winamp. Ein winzes Tool, das unauffällig alles abdudelte, was man ihm vorsetzte. Und vor allem nicht so ein aufgeblähter Koloss wie der MediaPlayer, den Microsoft damals an Windows zu koppeln versuchte und damit genauso unsympathisch war wie die Company in jenen Tagen.
Winamp lief und lief und lief. Eigene Playlists erstellen, abspeichern, id3 Tags anzeigen – alles gar kein Problem. Und wem das User-Interface irgendwann über war, der konnte sich aus dem Netz neue Skins runterladen, die dem Tool ein neues Aussehen verpassten. Über einen Beitrag drüben beim Kraftfuttermischwerk bin ich drauf aufmerksam geworden, dass es das einstmals geliebte Winamp seit geraumer Zeit auch als Portierung für den Mac gibt. Reamp heißt das Ding, ist mit Apples Programmiersprache Swift programmiert und wird für lau angeboten. Und das Beste: Die Skins von anno dazumal werden auch unterstützt.
Offen gesagt glaube ich nicht, dass Winamp bzw. Reamp meine aktuelle Abspielsoftware – die Musik App von Apple, in die Apple Music integriert ist – ablösen können wird. Zumal dank iTunes Match Musik, die ich dort hinzufüge, auf all meinen Endgeräten verfügbar ist. Aber theoretisch vorstellbar wäre es, da mich viele Musik-Promos heutzutage als mp3-Dateien erreichen. Und die könnte ich ja dann via Reamp abspielen … hach, vielleicht gönne ich mir mal den Spaß, alleine schon aus nostalgischen Gründen. Wer sich ähnlich für nostalgischen Kram begeistert und im Apple-Universum zu Hause ist, kann das ja auch mal ausprobieren.