Deadpool, der Söldner mit der großen Klappe, ist in der Riege der Superheld*innen aus dem Hause der Ideen noch eher jung. Erst 1991 wurde Wade Wilson, so sein bürgerlicher Name, von Fabian Nicieza und Rob Liefeld geschaffen. Ähnlichkeiten mit Deathstroke (bürgerlicher Name Slade Wilson, Kostüm ähnlich) aus dem Hause DC Comics sind wie üblich sicher nur reeein zufälliger Natur. Na, wie auch immer. Zwischen den Avengers und den X-Men ist Deadpool, zunächst eigentlich als Bösewicht ersonnen, quasi noch ein junger Hüpfer.
Apropos X-Men: Genauso wie die illustre Mutantengruppe ist Deadpool bisher nicht Teil des Marvel Cinematic Universe. Das hat was mit Lizenzen und Rechten zu tun, aber spätestens mit dem gerade im Kino gestarteten Film „Deadpool & Wolverine“ dürfte das Thema auch durch sein. Ich denke, zumindest das kann ich an dieser Stelle schreiben, ohne irgendwelche Spoiler platziert zu haben. Pünktlich zum Deutschlandstart habe ich mich gestern mal ins Kino bewegt. Nachfolgend ein paar Eindrücke und Gedanken.
Deadpool hat ein Problem. Nein, eigentlich hat das ganze Universum ein Problem, denn es ist dabei, die Existenz einzustellen. Ein zwielichtiger Typ namens Mr. Paradox von der TVA (Time Variance Authority, eine Organisation, die mehrere Zeitlinien innerhalb des Multiversums im Blick hat und spätestens seit der Serie „Loki“ bei Disney+ einem großen Publikum bekannt sein dürfe) erklärt ihm, dass das halt so ist und das man da ja nüscht machen könne. Deadpool könne sich quasi nur entscheiden, die Kröte zu schlucken und in dieser Zeitlinie zu bleiben – oder mit der anderen unterzugehen.
Nun wäre Deadpool ja nicht der Söldner mit der großen Schnauze, wenn er das einfach so hinnehmen würde. Um an diesem Ungemach etwas zu ändern, benötigt er die Hilfe von Logan alias Wolverine. Warum auch immer. Eine Erklärung liefert der Film mit, aber die ist mit hanebüchen noch wohlwollend umschrieben. Nur: Logan ist bekanntlich tot.
Also springt Deadpool durch die Multiversen, um eine Wolverine-Variante zu finden, die ihm bei seiner Mission helfen könnte. Es findet sich auch eine. Gerne dauerbetrunken, desillusioniert, zynisch, verbittert – und überhaupt nicht gut auf Deadpool zu sprechen. Es entspinnt sich daraus eine effektreiche und vor allem brutale Prügelorgie, buchstäblich quer durch Zeit und Raum. Und wäre das alles nicht schon dramatisch genug, taucht irgendwann auch noch eine gewisse Cassandra Nova auf. Ebenfalls mit mächtigen Mutantenkräften gesegnet – und mit einer besonderen Verbindung speziell zu Logan bzw. den X-Men …
Marvel macht auf Social Media ein ganz schönes Gewese darum, bitte keine Spoiler zu posten. Entsprechende Kommentare würden direkt gelöscht. Aber mal ehrlich: Wenn wir absurd übertriebene Gewaltdarstellung, permanentes Durchbrechen der vierten Wand, ziemlich ausdauernde Prügelorgien zwischen Deadpool und Wolverine sowie ein paar Cameos, kleineren und größeren Umfangs, abziehen, was bleibt dann noch übrig, was gespoilert werden könnte? Leider nicht viel. Und das ist ein Problem dieses Films.
Die Handlung ist eher dünn, die Antagonisten des Films eigentlich nicht wirklich der Rede wert und die Gags, die am Fließband rausgehauen werden und die manchmal wirken, wie mit der Brechstange platziert, sind auch irgendwann ermüdend. Das war in den ersten beiden Deadpool-Filmen irgendwie noch anders. Und auch Nostalgie ist irgendwann erschöpft.
Beinahe wirkt es, als hätte man uuunbedingt, aufgrund des Aufeinandertreffens der beiden populären Marvel-Charaktere, noch ein paar Schippen drauflegen müssen. Höher, schneller, krasser, derber, lauter. Und so weiter. Nur in den für manche möglicherweise auch relevanten Punkten wie der Handlung nämlich, da hat man eher im Unterricht geschlafen. Oder man hat schlicht keine Idee gehabt, jetzt, wo die Figuren wieder „nach Hause gekommen“ sind, was man ihnen anfangen soll.
Dabei will ich den Film gar nicht komplett verreißen an dieser Stelle. Letztlich wurde geliefert, was man prinzipiell erwarten kann. Schon die ersten beiden Filme um den Antihelden mit der rot-schwarzen Maske, der permanent Gags unter der Gürtellinie in Richtung Publikum raushaut, waren nicht unbedingt Oscar-verdächtig, was die Handlung bzw. Drehbuch anbelangt.
Die Action war mehr oder weniger durchgängig, zudem rasant und sehenswert inszeniert. Für mein Dafürhalten müsste ein Marvel-Film nicht so blutig bzw. brutal ausfallen. Der Gore-Faktor war, aller Übertreibungen zum Trotz, nicht ohne und ich staune ein wenig über die Altersfreigabe ab 16. Ich weiß, in dieser Hinsicht war Deadpool immer schon drüber, zumindest im Kino, aber ich persönlich hätte nix dagegen, wenn man diesen Acker von The Boys bestellen ließe. Das aber nur am Rande.
An Schauwerten, Anspielungen und Referenzen mangelt es dem Film nicht und besonders, wer ganz tief drinsteckt im Thema Marvel und dessen filmischer Aufarbeitung, wird „Deadpool & Wolverine“ sicher noch ein paar Punkte aufaddieren können. Und landete dann sicher bei einer soliden 7 von 10 oder so. Sicher fällt es unter diesen Umständen auch leichter, das latente Ungleichgewicht im Pacing dieser überdrehten Buddy-Comedy zu tolerieren. Meine persönliche Wertung wäre niedriger. Den Fan-Bonus mal abgezogen, landete ich wohl eher bei einer 5 von 10.
Ich verließ daher mit ziemlich ambivalenten Gefühlen das Kino. Einerseits war das zwar etwas mehr als 2 Stunden weitgehend flottes und zweifellos auch unterhaltsames Popcorn-Kino, teilweise mit einer ordentlichen Portion charmanter Nostalgie aus den früheren Tagen filmischer Unterhaltung aus dem Haus der Ideen. Und ich freue mich, dass Deadpool und Wolverine (und damit wohl auch die X-Men) nun im Marvel Cinematic Universe angekommen sind. Aber dass der Film leider auch einigermaßen dämlich ist, der beschriebenen Probleme wegen, kann ich eben auch nicht leugnen.
Deswegen wäre mein abschließender Tipp: geh durchaus gerne ins Kino, lass Dich berieseln und unterhalten. Aber lass vorsichtshalber Hirn und Erwartungen zu Hause.