📸: Roman Empire / Avalost

Wie ich einmal ein Konzert von Taylor Swift besuchte

Es war aus verschiedensten Gründen eines der großartigsten Ereignisse meines Lebens. So. Direkt mit dem Fazit herumspoilern kann ich. Und auch wenn das quasi schon die wesentliche Aussage ist – ein paar mehr Dinge über meinen Ausflug nach Swiftkirchen möchte ich schon noch erzählen. Ich habe noch keine Ahnung, welchen Umfang das hier letztlich haben wird. Aber lasst uns einfach mal anfangen.

Inzwischen bin ich begeisterter und überzeugter Swiftie. Das war 2023, als bekannt gegeben wurde, dass Taylor Swift im Rahmen ihrer „The Eras Tour“ nach Deutschland kommen würde, noch anders. Damals war ich dank des wunderbaren Albums „Midnights“ noch ungläubig staunender, dennoch immer mehr interessierter Konsument am Rand des ganzen Hypes um die Musikerin.

Der Vorverkauf der Konzertkarten war allein schon so ein Abenteuer. Bei Eventim registrieren, auf einen Code hoffen und dann, mit diesem Code, möglicherweise und mit ganz, ganz viel Glück zum Vorverkaufsstart auf die Server des Ticketanbieters kommen und, mit noch mehr Glück, ein Ticket ergattern.

Es war der 12. Juli 2023, ein Mittwoch, an dem ich mein Ticket bekam. Und allein das Ticket zu bekommen, war neben den Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann, ein Kunststück. Ich befand mich zu der Zeit nämlich noch immer in einer psychosomatischen Tagesklinik, konnte also nicht immerzu auf dem Handy herumdaddeln. Aber irgendwie ist es mir zwischen Gruppen- und Kunsttherapie gelungen, ein Ticket zu bestellen. Wenn auch immer am Rande des Nervenzusammenbruchs herumtanzend. Janz hinten, janz am Ende, jwd. Scheißegal, Hauptsache dabei sein! Und dann vielleicht verstehen, was es mit dem Hype um Taylor Swift auf sich hat.

Übermäßig viel Freude hatte ich allerdings nicht mit jenem Ticket, denn schon kurz danach stand eine Trennung und die Suche nach einer neuen Bude auf dem Plan, den das Leben für mich vorbereitet hat. Und da war Kohle für Möbel usw. einfach wichtiger, daher landete das Ticket beim Fansale von Eventim – und war innerhalb von Sekunden, nachdem es dort live gegangen war, auch schon weg. Immerhin: für ein paar Kallax-Regale von Ikea hatte der Erlös gereicht.

Allerdings sollte die Geschichte damit noch nicht zu Ende und ich offensichtlich nicht dazu verdammt sein, auf die Regale zu glotzen und immer daran erinnert zu werden, dass es auch ein Taylor-Swfit-Konzert hätte gewesen sein können.

Die Frau eines guten und langjährigen Freundes aus Gelsenkirchen, mittlerweile in Gladbeck ansässig, hatte ebenfalls zwei Karten für Taylor ergattern können. Er wollte nicht und somit bot sich mir eine zweite Chance. Die ich dieses Mal nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte, komme, was da wolle! Und so machte ich mich am Freitag, dem 19. Juli 2024, auf den Weg ins kurzerhand in „Swiftkirchen“ umgetaufte Gelsenkirchen.

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Kurz vorher bekam ich dann doch ein paar Sorgenfalten im Gesicht. Ich hatte mir nämlich vorgenommen, mit dem Deutschlandticket und somit mit der Bahn runterzufahren in den Pott. Das und die Aussicht auf eine riesige Veranstaltung mit 55tausend Menschen ließen mich ganz kurz mal an meinem Plan zweifeln. Zu den Gründen, warum ich noch im Vorjahr mehrere Monate in einer Tagesklinik zu Gast war, gehören unter anderem eine ausgemachte Angst- und Panikstörung. Beste Voraussetzungen also für solch einen Trip. 🙈

Aber so wie ich damals beschlossen hatte, als ich mich in der Klinik anmeldete, mich davon nicht besiegen zu lassen, so nahm ich mir auch hierfür vor, mir von dieser Scheiße nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen! Vielmehr versuchte ich, es als Herausforderung, unterteilt in diverse kleine Challenges, anzusehen. Und damit ging es. Tausend Dank an dieser Stelle an all diejenigen unter Euch, die mich privat angeschrieben haben und mir liebe Worte sowie Unterstützungsangebote gemacht haben! Das kam meinem Bedürfnis nach Sicherheit auf jeden Fall sehr entgegen. 🫶

Von Machdeburch nach Swiftkirchen

Und irgendwie habe ich es tatsächlich geschafft. Mit der Bimmelbahn in viel, viel zu vollen, viel zu warmen Zügen von Magdeburg nach Gelsenkirchen zu fahren. Mit diversen Zwischenstopps, hier umsteigen und da auch noch mal und so weiter. In dem Abschnitt von Osnabrück bis Gelsenkirchen stand ich wie so eine Ölsardine in dem überfüllten Zug herum, die Toiletten selbstverständlich defekt und außer Betrieb. Ich würde sagen, mehr Schocktherapie ging nicht.

Ich glaube beinahe, dadurch konnte ich vor Ort mit der sehr viel höheren Zahl an Menschen direkt gut umgehen. Irgendwie habe ich die langen Schlangen rund um die Veltins-Arena gut ausblenden können. Zumal auch der Einlass in unfassbar kurzer Zeit erledigt war. Wir erreichten das Gelände gegen 17:30 Uhr und nicht einmal zehn Minuten später waren wir drin. Ticket- und Taschenkontrolle inklusive.

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Natürlich waren sämtliche Stände, an denen Bier ausgeschenkt wurde, gnadenlos überfüllt. Genauso auch wie sämtliche Toiletten, vor denen sich überall lange Schlangen bildeten. Ich weiß es natürlich nicht genau, aber ich würde bei diesem Konzert von einer Quote 15 bis 20 Prozent Männern ausgehen. Der Rest Frauen sowie LGBTQIA+-Personen. Daher wurden die Herrenklos von diesen direkt mitgenutzt. Kein Problem, die paar überschaubar wenigen Männer konnten bei Bedarf dennoch kurzerhand in Richtung Pissoir vorbeihuschen. Die Lage entspannte sich merklich, nachdem das Konzert von Taylor angefangen hatte.

Zuvor jedoch machte die Vorband Paramore den Auftakt. 18:15 Uhr ging es los. Hayley Williams und ihre Band machten ordentlich Alarm auf der Bühne. Gute Entscheidung von Taylor, die Alternative-Rocker aus Tennessee zum Anheizen einzuladen. Als wäre es an dem Tag bei rund 30 Grad in Swiftkirchen nicht schon warm genug gewesen. Ich war erstaunt zu sehen, wie textsicher die Menschen um mich herum waren. Beinahe so, als seien sie wegen Paramore angereist und nicht wegen Taylor. Nach einer guten halben Stunde purer Energie und Spielfreude machten Paramore unter großem Applaus dann aber die Bühne frei.

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19:23 Uhr setzte der Countdown ein, die große Uhr wurde auf der riesigen Leinwand hinter der Bühne angezeigt. Und dann war es soweit und Taylor eröffnete mit „Miss Americana & the Heartbreak Prince“ vom Album „Lover“ (2019). Ziemlich genau drei Stunden und sagenhafte, insgesamt 45 Songs später ging Taylor Swift unter tosendem Applaus von der Bühne. Ich will an dieser Stelle gar nicht weiter auf das Konzert selbst eingehen. Es war nicht weniger als die erwartete, absolut perfekte Show – und dass nach Abpfiff tatsächlich drei Stunden vergangen waren, das haben wohl unterwegs nur die wenigsten Anwesenden wirklich bewusst wahrgenommen.

🔗 Taylor Swift – The Eras Tour Tour Setlist – 19.07.2024 Gelsenkirchen

Mir geht es um etwas anderes. Eine Beobachtung, die ich gemacht habe bzw. eine Erkenntnis, die ich erlangt habe.

Die Heilung hat begonnen

Bei Threads las ich einen Kommentar, in etwa sinngemäß: jetzt hat die Heilung begonnen. Wie ich mit ein paar wenigen Tagen seit dem Konzertabend auch feststelle: auch bei mir.

Das Publikum in jener Nacht bestand, wie weiter oben schon erwähnt, zu sicher zu 80 Prozent aus Frauen sowie aus LGBTQIA+ bzw. nicht-binären Personen. Menschen also, die lieber allein im Wald mit einem Bären konfrontiert wären, als Menners über den Weg zu laufen.

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Klar, es gibt vereinzelte, völlig durchgeknallte Typen wie diesen absolut unlustigen Aushilfskomiker Pocher, die im Rammstein-Merch zu dem Konzert gegangen sind und nur einmal mehr bewiesen haben, dass sie einfach schlechte Menschen sind, die bei „The smallest man who ever lived“ mitgemeint sind. Ich frage mich allerdings, wer jämmerlicher ist: Menschen wie Pocher, denen keine Geschmacklosig- und Anstandslosigkeit zu schade ist – oder die, die ihn dafür feiern.

Das Konzert bestand aus nahezu 55tausend Menschen, die sich sicher gefühlt haben. Die Wochen und Monate diesem Ereignis entgegengefiebert haben. Die Freundschaftsbänder gebastelt haben, sich die tollsten und schönsten Kostüme angezogen haben und für die dieser eine Abend die Erfüllung eines langgehegten Traumes war. Die in diesem Safe Space, der dieses Konzert für sie bedeutete, anziehen und sein konnten, was und wie sie wollten. Ohne dass Menners Catcalling betrieben hätten oder was auch immer meinen Geschlechtskollegen sonst so einfällt. Bären und Menners waren nicht zu befürchten. Unsere Welt ist so am Arsch, aber diese vielen glücklichen Menschen zu sehen war so schön, wie ich es mit Worten nicht beschreiben kann. ❤️

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Und das ist, was die Musik von Taylor mit vielen Menschen macht: Sie macht glücklich. Sie macht Mut und gibt Kraft. Taylor Swift ist ein Symbol der Hoffnung. Menners werden das nie verstehen. Die gehen lieber zu Rammstein. Aber, und damit komme ich zu einer Feststellung, die ich schon mal gemacht habe: Die Welt wäre mit mehr Taylors eine bessere. Oder wenn man(n) sich wenigstens die Mühe machte, verstehen zu wollen, was es mit diesem Hype auf sich hat. Ich bin sehr glücklich, dass ich das erleben durfte.

Ich habe keine Ahnung, ob ich es noch einmal zu einem Konzert von Taylor schaffe. Auf der Liste der Highlights meines Lebens ist dieses jedenfalls ganz weit vorne mit dabei.

Danke, Taylor. 🤍❤️

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Die Setlist aus Gelsenkirchen als Playlist bei Apple Music:

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