Unter dem Motto „Dawn of DC“ hat der amerikanische Comicverlag, der Heimat ist von so illustren Figuren wie Wonder Woman oder Batman, seine neue Ära eingeleitet. Eine Art Morgendämmerung quasi, die mit ganz frischen Storylines sowohl langjährige Fans als auch all jene, die gerade erst einschalten, begeistern soll. Über einige Figuren aus dem Hause Detective Comics und deren Neustart haben wir uns an dieser Stelle schon unterhalten.
So warfen wir einen Blick beispielsweise auf den Neustart von Superman oder Green Lantern und stellten fest, dass die Nebencharaktere wie Catwoman mitunter die deutlich spannenderen Ansätze verfolgten. Eine weitere … nun ja, eigentlich ja schon nicht mehr Nebenfigur, sondern längst zur Hauptdarstellerin avancierten Figur soll nun das Thema sein: Dr. Harleen Frances Quinzel, landläufig bekannt als Harley Quinn. Zunächst war Quinn nicht viel mehr als die Gespielin des Jokers. Trotz des Doktortitels in Psychologie nicht besonders helle, dafür aber in Sachen krimineller Energie ihrem dauerkichernden Lover in nichts nachstehend. Alles Schnee von gestern.
Inzwischen ist Harley Quinn ein Garant für teilweise ziemlich abgedrehte, aber meist auch sehr unterhaltsame Storys, die zwar irgendwie immer noch mit Batman, Gotham City und allem, was dazu gehört, zu tun hat, aber sich schon längst aus diesem enganliegenden Korsett befreite. Manchmal zerstört sie dabei auch gleich mal das komplette DC-Universum.
Vor allem aber hat sie im Zuge von DCs Morgendämmerung auch eine neue, eigene Serie bekommen, deren erster Band „Harley Quinn – Eine Krise nach der anderen“ wieder ein unfassbar wilder Ritt auf einem Hackebeil geworden ist. Und ein seltsam süßlicher Geruch von Zuckerwatte und Popcorn liegt beim Lesen auch irgendwie in der Luft.
Harley Quinn ist eigentlich gar nicht mehr so auf dem Pfad des Verbrechens unterwegs. Tatsächlich bewohnt sie mit ihrer Liebsten, einer nur allzu bekannten Poison Ivy, eine gemeinsame Wohnung – zahlreiches Grün inklusive – und muss, dank richterlicher Anordnung, in einer Highschool unterricht geben. Für lau, natürlich. Als Sozialarbeit, da es an Lehrpersonal in den Staaten drüben offenbar genauso mangelt wie bei uns.
Nun wäre es kein Comic im Umfang von rund 140 Seiten geworden, wenn es sich Harley in ihrem vergleichsweise normalen Leben direkt bequem einrichten könnte. Denn ziemlich schnell wird sie angegriffen und verteidigt sich – mit einem Fisch. Einem Cartoon-Fisch. Aus einer anderen Dimension, der ganz einfach so da war. Ohne es irgendwie bewusst gewollt oder gesteuert zu haben, hat Harley Quinn die Grenze zu den Multiversen durchstoßen.
Was ganz schnell eine gewisse Lady Quark auf den Plan gerufen hat, die das alles nicht so prima findet und mit Sanktionen unerfreulichster Art droht. Bei ihrem Versuch, das irgendwie wieder in Ordnung zu bringen, trifft Harley auf Batman, der altersweise Kalendersprüche zum Besten gibt, die Zauberin Zatanna und Captain Carrot. Einem Cartoon-Hasen im Superheldenkostüm. Ja. Ich kann mir vorstellen, was Ihr jetzt denkt.
Harley Quinns neues Abenteuer ist eine ziemlich unterhaltsame, aber unfassbar irre Geschichte, die – mit Verlaub gesagt – einen Scheiß darauf gibt, wie Superheld*innen-Comics sein sollten. Oder besser, was man diesbezüglich vielleicht erwarten könnte. Das Ding reiht sich damit ein in die Riege der Storys, die dieser schillernden Figur auf den Leib geschrieben wurden, um sie noch mehr vom üblichen Einerlei aus dem Hause DC abzuheben. Stichwort: „Harley zerlegt das DC-Universum“.
Geschrieben hat diese gleichermaßen komplett bekloppte wie auch charmante Story Tini Howard, deren aktueller Lauf bei Catwoman, ebenfalls unter dem „Dawn of DC“-Banner neu gestartet, hier kürzlich erst Thema war. Ich erinnere mich noch an den Aufschrei der ewig Gestrigen, als bekannt wurde, dass Harley Quinn fortan in einer Liebesbeziehung mit einer Frau leben würde. Mit Poison Ivy noch dazu! Kudos an dieser Stelle an DC Comics, trotz des massiven Shitstorms auf Social Media an diesen Plänen festzuhalten und das so durchzuziehen. Traurig eigentlich, dass man das immer noch lobend erwähnen muss. Der Weg bis zur absoluten Gleichberechtigung – oder besser: bis es einfach völlig scheißegal ist, wer mit wem und warum Bette und Leben teilt – ist noch unfassbar weit.
Abgesehen davon: Ich könnte mein Hirn gar nicht so sehr winden, um mir die abgedrehten Dinge, die hier so passieren, auszudenken. Eine Comicfigur in die Welt einer Cartoon-Figur zu stecken und beide sind sich mehr oder weniger dessen bewusst, ist auch irgendwie next level Meta. Dazu passen die pastelligen Farben von Sweeney Boo wie Harleys riesiger Hammer auf die Köppe ihrer Cartoon-Gegner! Wunderbare Mimiken und dynamische Posen, irgendwo zwischen Cartoon und Manga zu verorten und stets so zuckersüß gehalten, dass ich immerzu Assoziationen an einen Jahrmarkt im Kopf habe. Geruch von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und kandierten Äpfeln inklusive. Nur, dass diese Story nicht so klebt.
Ist das nun also die beste Harley-Quinn-Geschichte, die man dieser Tage lesen kann? Nö. Dafür ist das alles möglicherweise ein paar Spuren zu drüber. Aber es ist ein interessanter Auftakt, gerade weil er sich so wohltuend vom Rest der „Dawn of DC“-Storys abhebt. Zudem ist es ein weiterer Beweis für das enorme kreative Talent von Tini Howard, der schlicht Bock macht auf mehr. Falls Ihr hier auf den Geschmack gekommen sein solltet: weitere Reviews aktueller Comics rund um Harley Quinn sind in Vorbereitung und kommen in Kürze.