Grundsätzlich ist „The Amazing Spider-Man“, erstmals im März 1963 an den Start gebracht, in der Comicwelt ein alter Hut. Kann man so sagen. Nach nunmehr über 60 Jahren, in denen die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft schon durch die Straßenschluchten New Yorks schwingt, wären wir inzwischen bei der 704. Ausgabe angekommen. Sind wir aber nicht. Diverse Male hat das Haus der Ideen, Marvel, die Nummerierung zurückgesetzt und vorn angefangen zu zählen. Dies passierte immer dann, wenn die Serie einem Neustart bzw. einer neuen kreativen Ausrichtung unterzogen wurde. Warum macht man das? Nun, man würde sicher kaum neue Leserschaften gewinnen, würde die fortlaufende Nummer immer höher. Wohl kaum jemand würde beispielsweise durch den Bahnhofsbuchhandel oder Comicshop flanieren und denken: „Geil, die 704. Ausgabe! Die nehm’ ich mal mit!“ Und somit erklärt sich auch, dass der Comic, um den es mir nachfolgend gehen soll, die US-Hefte „Amazing Spider-Man 1 – 5“ beinhaltet. Bei uns durch Panini als „Spider-Man 1 – Verlorene Liebe“ an den Start gebracht. Ein neues Kreativteam, bestehend aus Top-Autoren bzw. Zeichnen Zeb Wells und John Romita Jr., soll dem Netzschwinger frischen … äh … Schwung verleihen. Große Namen, fürwahr, aber ist das auch eine große Geschichte? Schauen wir uns den Fall mal an.
Manchmal ist man bekanntlich die Taube und manchmal leider nur das Denkmal. Das trifft auf niemanden gerade mehr zu als auf Peter Parker, den meisten Menschen bekannt als Spider-Man. Seine große Liebe Mary-Jane will nichts mehr von ihm wissen, hat dafür zwei Kinder und einen Typen, der offensichtlich nicht Peter Parker ist. Tante May, sonst immer die größte aller Fürsprecherinnen von Peter, will von ihrem Neffen auch nicht mehr so richtig etwas wissen. Sein Kumpel Johnny Storm ist auch ziemlich angefressen von Peter bzw. Spider-Man. In dem Moment also, an dem uns Zeb Wells und John Romita Jr. in die Handlung werfen, sind alle Menschen, mit denen Peter/Spidey vorher eng verbunden war, ziemlich angefressen von ihm. Zudem hat er wieder mal keinen Job und mit der Miete für das Loch, in dem er haust, ist er auch im Rückstand. So sehr, dass schon Kuckuckskleber an seiner Tür schellen. Man könnte also sagen: Peter Parker hat gerade so richtig Kacke am Schuh. Warum das so ist, darüber schweigen sich die Kreativen aus. Möglich, dass das in vorangegangenen Ausgaben vorbereitet wurde, kann aber auch sein, dass uns die große Erleuchtung noch bevorsteht. Ist für die eigentliche Handlung aber auch nicht so richtig relevant.
Peter gerät nämlich in die Machenschaften des Superkriminellen Tombstone, der sich anschickt, die Lücke füllen zu wollen, die ein gewisser Wilson Fisk hinterlassen hat. Und dass Tombstone, der hier seine arme, gequälte Seele offenbart, um damit seine Taten zu rechtfertigen, einigermaßen ähnlich austeilen kann, wie seinerzeit der Kingpin, muss Spider-Man schmerzvoll am eigenen Leibe erfahren. Anlass und Hintergrund ist ein aufkommender Bandenkrieg zwischen Tombstone und Rose, einem anderen Superverbrecher, in dessen Verlauf wie üblich jene zwischen die Fronten geraten sollen, die damit eigentlich nichts am Hut haben. Nur Spider-Man kann das Ungemach noch verhindern. Der allerdings liegt noch in irgendeinem Untergrund sauer in Essig, nachdem ihm von Tombstone ganz tüchtig die Maske verbeult wurde …
Jau, dieser erste Auftakt war schon ganz cool. Spider-Man bzw. Peter Parker ist so weit am Boden, wie er nur sein kann und man fragt sich, warum und vor allem, wie er da wieder rauskommen will. Noch dazu das geschickt konstruierte und ziemlich perfide eingefädelte Spiel von Tombstone, das Spidey im Prinzip zu einem Bauern in einem sehr viel größeren Schachspiel macht … doch, doch. Inhaltlich geht das schon gut nach vorn alles, was hier so passiert und macht große Lust darauf zu erfahren, wie es weitergeht. Na, und dass ein John Romita Jr. das Ganze entsprechend auf Weltklasse-Niveau in Szene zu setzen weiß, das muss eigentlich nicht gesondert erwähnt werden, oder? Ich tue es trotzdem. Beim Blick auf die toll gezeichneten und sehr lebhaften Panels wird wieder einmal klar, warum Mr. Romita Jr. in der A-Liga der Zeichner*innen unterwegs ist.
Festzuhalten bleibt: Als Einstieg in eine frische Storyline ist das Gebotene hier mehr als passabel. Das Geschehen ist dramatisch, Peter ziemlich am Arsch und die Inszenierung wirklich sehenswert. Um allerdings wirklich als Neustart durchgehen zu können, der tatsächlich Leser*innen für sich gewinnt, die mit dem Wandkrabbler bisher wenig bis gar nichts am Hut hatten, wären ein paar weitere Erklärungen im Nachgang durchaus hilfreich und angebracht. So zum Beispiel, warum Peter in dieser Lage steckt, in der er sich nun mal gerade befindet oder was es mit diesem Machtvakuum auf sich hat, das so ein paar B-Klasse Bösewichte zu füllen versuchen. Wer weiß, vielleicht reicht das Duo Wells/Romita Jr. hier noch ein paar Erklärungen nach. Ich habe das Gefühl, dass es sich lohnt, hier am Ball zu bleiben.