Dass die Figur Loki inzwischen zu den beliebtesten aus dem Hause Marvel gehört, die zugehörige Serie bei Disney+ von Fans und der Kritik gleichermaßen gefeiert wird – all das wird wohl zu einem ganz wesentlichen Teil der Darstellung von Tom Hiddleston geschuldet sein. Und mal unter uns: könntet Ihr Euch einen anderen Schauspieler in dieser Rolle vorstellen? Mir fiele niemand ein.
Rund um Marvels größten Trickser ließen sich noch zahlreiche weitere Geschichten erzählen als die, die über die Leinwand bzw. Mattscheibe geflimmert sind. Da man aber kaum immerzu Filme oder Serien mit einem Millionenbudget drehen kann, bietet es sich an, bei Bedarf nach weiteren Erzählungen rund um Loki auf das Ursprungsmedium zurückzugreifen. Comics. Mit „Loki – Der Lügner“ ist gerade ein weiterer Comic erschienen. Was der so kann, das wollen wir uns jetzt mal anschauen.
Bevor Thors Halbbruder Loki einigermaßen sozialverträglich wurde, war er ein ganz schön fieser Möp. Einer von der Sorte, der aus den Fingernägeln verlorener Seelen – also den Ausgestoßenen, Ungeliebten, auf den Schlachtfeldern Zurückgelassenen und so weiter – das Drachenboot Naglfar baute. Mit dem Ziel, am Tage der Götterdämmerung damit gegen Thor und dessen Gang in die Schlacht zu segeln.
Kam anders, ganz schön viele Fingernägel wurden dennoch gebraucht, um ein Schiff, das sonst aus Holz gefertigt wird, zu bauen. Inzwischen will Loki Thor nicht mehr zwingend an den Kragen und herrscht als König über die Frostriesen. Zwei von diesen riesigen Gestalten hielten es aber für eine ganz brillante Idee, das Schiff zu stehlen. Nachdem sie von Loki das Lesen beigebracht bekommen haben, dachten sie, so schwer kann das doch nicht sein, damit durch die Welten zu gurken. Kam auch anders.
Die beiden Dödel knallten mit dem Schiff gegen den Weltenbaum, es ging kaputt und Teile davon landeten in verschiedenen Welten. Wo sie, sofern Loki sie nicht rechtzeitig wieder in die Hände bekommt, massiven Schaden und, im schlimmsten Fall, Ragnarök doch noch auslösen könnten. Und so macht sich der Trickser auf eine wilde Reise durch Zeit und Raum, landet unter anderem bei den Zwergen, ändert Geschlecht und Form und trifft unterwegs diverse Bekannte, die ihm ganz überraschend nicht so sonderlich wohlgesonnen sind …
Um das direkt an dieser Stelle deutlich zu sagen: „Loki – Der Lügner“ ist ein optisch wie inhaltlich hochgradig gelungenes Stückchen Comic. Geschickt verwebt Autor Dan Watters verschiedene Elemente aus nordischer Mythologie und moderner Superheldencomics, während ihm sein Zeichner German Peralta ein paar wirklich schöne Bilder zu Papier bringt. Aufgrund der hohen Textdichte sowie der sehenswerten Zeichnungen fühle ich mich im besten Sinne an klassische, franko-belgische Comicalben erinnert.
Wahrscheinlich hätte dieser in sich geschlossene Comic auch funktioniert, wenn Watters auf die diversen Gastauftritte bekannter Marvel-Figuren verzichtet hätte. Beinahe hatte ich das Gefühl, dass sie eingebaut wurden, damit für die Story von oberster Ebene grünes Licht gegeben werden konnte. Schließlich sollen wir doch nicht vergessen, dass es sich immer noch um einen Comic aus dem Haus der Ideen handelt, und nicht etwa um eine wilde Interpretation der Edda. Ist nicht weiter schlimm, richtigen Mehrwert bieten die in die Handlung eingeflochtenen Gastauftritte aber eben auch nicht.
Zurück bleibt ein durch und durch positiver Eindruck. „Loki – Der Lügner“ empfiehlt sich für alle Fans des Tricksers. Ganz gleich, ob diese schon länger dabei sind, durch die filmischen Auftritte bzw. Tom Hiddleston auf den Geschmack gekommen oder durch andere Comics aufmerksam geworden sind.
Die Geschichte ist spannend erzählt und bei einem Loki kann man auch nicht zwingend von einem Happy End ausgehen, bis die letzte Seite gelesen ist. Dazu schicke Bilder und trotz nur vier enthaltener Hefte ein okayer Umfang. Daumen hoch für das Duo Watters und Peralta, gerne mehr davon. Und gerne auch mehr Loki.