📸: Panini Comics

Mehr als 300 beteiligte Personen, mehr als 120 Storys: „Der wichtigste Comic der Welt – Geschichten zur Rettung des Planeten“, oder: Inspiration, Motivation und ein bisschen Hoffnung angesichts der drohenden Klimakatastrophe

Cara DelevingnePeter GabrielJane GoodallSir Patrick StewartLuisa NeubauerSir Ian McKellenYoko OnoAlan MooreRobert Kirkman und ungefähr 300 weitere Menschen, die sonst in Umweltschutz, Aktivismus, Kunst und Unterhaltung unterwegs sind. Sie alle eint mindestens eine Tatsache: Sie haben sich bereit erklärt, an einem Comicprojekt mitzuwirken, entweder als Ideen- oder Inspirationsgeber oder um für Zeichnungen und/oder Texte verantwortlich zu sein. Dieser Comic ist seit ungefähr Mitte März erhältlich und trägt den dick aufgetragen wirkenden Titel „Der wichtigste Comic der Welt – Geschichten zur Rettung des Planeten“. Dass wir immer noch volle Lotte auf eine Katastrophe zurasen, die, wenn es ganz blöd läuft, den Untergang der Menschheit bedeuten könnte, kann eigentlich niemand mehr leugnen. Wird dennoch getan, weiß ich. Ich will mich auch gar nicht weiter darüber echauffieren, sondern an dieser Stelle darüber nachdenken, ob die rund 120 Comics und Geschichten dieses Buches dem vollmundigen Titel gerecht werden können.

Vor rund drei Jahren veröffentlichte der Spiegel auf seiner Website ein Interview mit einem Archäogenetiker, der – ganz grob zusammengefasst – Folgendes zu sagen hatte: Irgendwann im Laufe der Entwicklung der Menschheit habe es eine Genmutation gegeben, die dazu führe, dass die Menschen dazu neigen, sich selbst ausradieren. Oder, wie es der Wissenschaftler formulierte: „Wir haben ein eingebautes Selbstzerstörungsprogramm“. Um die Theorie zu untermauern, muss man gar nicht in globalen Maßstäben wie der Klimakrise denken. Es reichen schon Beobachtungen im Kleinen. Wie viele Menschen saufen weiter, obwohl die Leber schon um Gnade winselt? Wie viele Menschen rauchen weiter, obwohl die Lunge schon auf dem letzten Loch pfeift? Und warum fangen wir damit überhaupt erst an, wenn wir doch wissen, dass beides hochgradig schädlich ist. Nicht sein kann. Ist. Beim Lottospielen denken wir: Könnte ja mich treffen, bei tödlichen Krankheiten hingegen: warum sollte es ausgerechnet mich treffen? Vermutlich ist die Denke in unserem Land, das bislang von den Auswirkungen der Klimakrise immer noch einigermaßen glimpflich davongekommen ist, ähnlich.

Auszug aus „Der wichtigste Comic der Welt“. Erscheint beim Panini Verlag. | Panini Comics: 📸

Zumindest in immer noch viel zu weiten Teilen der Gesellschaft. Solange wir nicht bei über 40 Grad im Schatten zerfließen oder eine Sturmflut Hamburg absaufen lässt, sind die Schicksale der Menschen, die davon bereits betroffen sind, uns immer noch sehr weit weg. In meinem Dunstkreis kann ich derartiges Verhalten/Denken immer wieder beobachten. Und das ist meist nicht einmal böse gemeint. Oder gar die Leugnung dessen, was in entsprechenden wissenschaftlichen Abhandlungen festgehalten ist. Vielen Menschen fehlt es scheinbar schlicht an Vorstellungskraft, dass das Ende der Welt, wie es in manchen Katastrophenfilmen prophezeit wurde, wirklich kommt. Wird schon gut ausgehen alles, irgendwie. Schließlich haben wir Menschen doch auch einen enormen Selbsterhaltungstrieb, nicht wahr? Mag sein, aber die Warnungen aus der Wissenschaft sind außerordentlich deutlich. Und wenn wir global gesehen nicht sehr bald noch sehr viel mehr ins Machen kommen, würde ich keine Immobilie in Hamburg mehr erwerben wollen, ehrlich gesagt.

Die Aussichten und Prognosen sind düster. Und es ist durchaus vorstellbar, dass es immer wieder zu einer Resignation führt. Was kann ein einzelner Mensch schon ausrichten? Hat doch keinen Effekt? Doch. Jede noch so kleine Maßnahme kann etwas bewirken. Niemand verlangt oder erwartet, dass wir sofort auf alles verzichten, nur noch Gras lutschen und gefiltertes Regenwasser saufen. Aber vielleicht reicht ja auch nur noch eine Fernreise mit dem Flieger alle zwei bis drei Jahre? Und wenn Kreuzfahrt – muss man dafür extra noch bis Mallorca fliegen, oder täte es vielleicht auch ein Törn von Hamburg oder Kiel aus? Vielleicht wäre es auch schon denkbar, Geräte (Fernseher, Stereoanlagen usw.), die im Stand-by vor sich hinrödeln würden, bei längerer Nichtnutzung (über Nacht, beim Verlassen der Wohnung usw.) komplett abzuschalten? Zumal sich auch das Konto drüber freut. Möglicherweise kann man auch seinen Fleischkonsum reduzieren und wenn, dann darauf achten, dass das Tier, das man zu verspeisen gedenkt, vorher nicht in der Massentierhaltung gelebt hat? Hier wäre es zusätzlich die Gesundheit, die davon profitiert. Einschränkung ist ungleich Totalverzicht und bedeutet in vielen Fällen immer noch ein enorm gutes Leben. Und vielleicht kann man sich mit anderen Menschen, denen der Erhalt unseres Planeten ebenfalls am Herzen liegt, zusammentun und bei einem ausgedehnten Spaziergang den Spielplatz des eigenen Kiezes von herumliegendem Müll befreien? Es gibt sooo viele kleine Dinge, die kaum Mühe machen und die dennoch einen Impact haben.

Motivation und Inspiration

Und in genau diese Richtung motiviert und inspiriert „Der wichtigste Comic der Welt“ mit seinen Geschichten zur Rettung der Welt. Manche Geschichten sind ziemlich dramatisch und möchten die drohenden Folgen sehr eindringlich verdeutlichen. Andere wiederum sind sehr optimistisch und vermitteln ein Gefühl von: Ja, die Kacke ist am Dampfen, und zwar gewaltig, aber möglich ist es immer noch, das Ruder herumzureißen. Man muss sich nur bewusst machen, dass sich das Zeitfenster schließt. Richtig ist auch, dass selbst die klimaneutralsten Lebensweisen allein noch nicht reichen. Die großen Umwälzungen müssen von Industrie und Politik kommen. Die Industrie ist oft schon erfreulich weiter, die Maßnahmen der Politik beeinflussen wir mit dem Kreuzchen auf dem Wahlzettel.

Der wichtigste Comic der Welt“ ist aus sehr britischer Perspektive gemacht. Darüber kann man kurz die Stirn runzeln, aber: wenn die englischen Wälder wieder aufgeforstet, wieder renaturiert werden und anschließend Viecher unterwegs sind, die dort längst nicht mehr leben, dann profitieren davon sicher nicht nur die Menschen auf der Insel. Dieses Buch ist kein Comic im klassischen Sinne, es ist auch keine Graphic Novel. Es beinhaltet viele Bildergeschichten, aber auch einen relativ hohen Nur-Text-Anteil. Panini Comics erklärt, das Buch sei klimaneutral hergestellt worden und 1 Euro je verkauftem Exemplar ginge als Spende an die Organisation Rewriting Earth. Diese Organisation unterstützt sieben Projekte rund um den Globus, die es sich zum Ziel gesetzt haben, so viele Arten vor dem Aussterben zu bewahren, wie nur irgendwie möglich.

Ich weiß nicht, ob das tatsächlich der wichtigste Comic der Welt ist. Ein richtiges und wichtiges Buch ist es auf jeden Fall. Es regt zum Nachdenken an, es zeigt, wohin wir steuern, wenn wir nichts tun, und motiviert bzw. inspiriert, sich näher mit diesem oder jenem zu beschäftigen. Und wenn das Ding nur dafür sorgt, dass man Verlassen eines Raumes das Licht ausschaltet, wäre schon etwas gewonnen. Ich hoffe, dass dieses Buch vor allem diejenigen Menschen erreicht, für die die Klimakatastrophe nur irgendein abstraktes Gebilde ist, was vielleicht, möglicherweise, irgendwann mal passieren könnte.

Wer den Klimawandel hingegen immer noch leugnet, wird auch von diesem Comic nicht bekehrt werden, mögen die beteiligten Personen noch so prominent und namhaft sein. Ich bin selbst Vater eines kleinen Kindes und blicke mit großer Sorge in die Zukunft. Daher wünsche ich mir natürlich sehr, dass dieses Buch hier und da der Stein des Anstoßes für Veränderungen ist.


Erscheinungsdatum
19. März 2024
Verlag
Panini
Autor*in
U. A. Cara Delevigne, Jane Goodall, Ricky Gervais
Seiten
360
Storys
The Most Important Comic Book on Earth
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