„Was zur Hölle ist Liebe?“ – das ist der Inhalt der ersten Textblase des Comics „Cyberpunk 2077 – XOXO“. Eine berechtigte Frage, die sich vermutlich die allermeisten Menschen zumindest im Zusammenhang mit romantischer Liebe schon mal gestellt haben. Vielleicht auch mehr als nur einmal. Darüber, wie viele von diesen Menschen eine Antwort darauf gefunden haben, möchte ich nicht mal spekulieren. Ich selbst sinniere darüber auch viel öfter, als es mir lieb ist, aber das ist gar nicht unser Thema gerade. Sondern besagter Comic, der nächste Ausflug in die reichhaltige Welt von Night City. Einmal mehr stammt die Story aus der Feder des sehr talentierten Bartosz Sztybor, der im Kontext von „Cyberpunk 2077“ schon ein paar bemerkenswerte und wirklich erinnerungswürdige Geschichten abgeliefert hat. Kann der neue Band das Niveau halten? Lasst uns mal einen Blick riskieren.
Im Mittelpunkt dieser ungewöhnlichen Erzählungen stehen dieses Mal die Mox und Maelstrom. Letztere locken erstere in einen Hinterhalt, um an einen Gegenstand zu gelangen, der, sofern irgendwo auf dem Schwarzmarkt verbimmelt, unfassbar viele Eddies bedeutet. Soweit so normal auf den Straßen von Night City. An einem Punkt weicht die Geschichte jedoch von den Erwartungen ab. Einer der Maelstrom-Leute, ein Typ namens Screw, beginnt nämlich kurzerhand damit, seine eigene Gang über den Haufen zu ballern. Auslöser für diesen höchst spontanen Sinneswechsel: Eine Mox-Frau, die ihm quasi von jetzt auf gleich den Kopf verdreht. Und zwar in einem Maße, dass er ihr nicht nur den Hintern rettet, sondern Hochverrat an der eigenen Mannschaft begeht. Offenbar ist etwas mit ihm passiert. Und das Panel fragt: „Was ist Liebe?“ Dass diese Sache Konsequenzen haben wird, muss vermutlich nicht gesondert erwähnt werden. Schließlich reden wir von Mox und Maelstrom und in letzter Instanz immer noch von Night City. Und dort machst du einfach nichts, ohne dass etwas nach sich zieht. Und während die Beteiligten darüber nachdenken, was Liebe ist, lernen sie eine Sache: Liebe hat einen Preis …
Ich möchte nicht schon wieder die von mir teilweise inflationär gebrauchte Redewendung „was für ein wilder Ritt“ zur Umschreibung dieses Comics verwenden, aber leider: genau das ist es. Ein abgefahrenes Ding. Nicht so sehr wegen der unmöglichen Liebe zwischen Mox und Maelstrom, dessen Ende vorhersehbar ist. Sondern durch die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird. Zwischen den teilweise ziemlich blutigen Einschüben in „der echten Welt“ werfen uns Bartosz Sztybor und Jakub Rebelka immer wieder in eine Cartoon-Welt. Vergleichbar mit der, in welcher der Koyote den Roadrunner zu erlegen versucht. Auffahren schwerer Geschütze, denen er letztlich immer selbst zum Opfer fällt, inklusive. Und dieser Wechsel zwischen den Cartoons, die in Screws Kopf ablaufen, weil er als Kind mal solche Cartoons gesehen hat, macht „XOXO“ ziemlich bemerkenswert. Das hebt diese grundsätzlich überschaubare Story auf eine Ebene, die auch diesen „Cyberpunk“ schon wieder zu einem Must-Read macht. Es wäre unter anderen Umständen vielleicht nicht der Fall. Angesichts der eingesetzten Stilmittel ist es aber nicht nur innerhalb der Reihe ein besonderes Vergnügen, sondern auch darüber hinaus.
Ich hoffe, Sztybor hat sein Pulver bezüglich „Cyberpunk“ noch nicht verschossen. Die Welt ist so reichhaltig und bietet so viele Möglichkeiten für Geschichten. Große wie kleine. Und ausnahmslos jeder bisher erschienene Comic erzählt eine tolle Story, an die man sich lange erinnert. „Cyberpunk 2077 – XOXO“ macht da keine Ausnahme.