Klatsch- & Tratsch-Postillen habe ich noch nie konsumiert. Und auch sonst ist mir das meist noch weniger als extrem scheißegal, was prominente Personen zu tun. Wer mit wem und warum – nur noch Gras beim Wachsen zu beobachten, könnte spannender für mich sein. Und doch: An den Verfehlungen von Promis, die immer öfter bekannt werden, kommt man auch so nicht vorbei, um davon Notiz zu nehmen. So groß kann ein Stein gar nicht sein, unter dem man leben müsste, um nicht etwa davon Wind bekommen zu haben, was derzeit etwa in Sachen Puff Daddy (oder P. Diddy, oder Diddy oder wie zur Hölle auch immer) los ist. Oder was im Falle von dem Rammstein-Frontmann Till Lindemann angesagt war. Oder was Frau Rowling für Grütze in die Welt tweetet. In den meisten Fällen wäre es vermutlich sehr justiziabel, würde ich ausschreiben, was ich über diese Personen denke – vor allem und ganz besonders, wenn sich die ein oder andere im Raum stehende Anschuldigung als wahr herausstellen sollte.
Und damit kommen wir zu einem Thema, für nicht wenige auch zu einem Problem, mit dem wir zunehmend häufiger konfrontiert werden: Die Trennung eines Werks von dem Menschen, der es erschaffen hat. Kann man Kunst und Künstler*in überhaupt trennen? Sollte man das? Es ist ein, wie ich finde, sehr schwieriges Thema, auf dem man ausgesprochen lange herumdenken kann und doch keine befriedigende Antwort findet. Ein Interessenkonflikt, vor dem ich hier im Blog regelmäßig stehe. Neil Gaiman beispielsweise ist einer meiner Lieblingsautoren, auch seine Comics, allen voran die „Sandman“-Reihe, finde ich famos. Auch die entsprechenden Umsetzungen als Film oder Serie finde ich meist gelungen. Und nun sieht sich dieser Mann also mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Und ich frage mich: warum denn jetzt auch noch Gaiman? Natürlich: bewiesen ist nichts. Aber alleine, dass diese Möglichkeit gibt, macht etwas mit mir. Es bringt mich nämlich dazu, schon wieder darüber nachzudenken, was ich mit den Werken Gaimans mache, sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen. Auch im Hinblick auf mein Tun hier im Block, Gaimans Comics waren schließlich schon so manches Mal Thema.
Oder, anderes Beispiel: „House of Cards“. Was habe ich die Serie geliebt – bis zu diesem Moment, als die ganzen Verfehlungen von Kevin Spacey bekannt wurden. Oder „The Flash“ mit der Person Ezra Miller in der Titelrolle. Dessen dokumentierten Verfehlungen hindern mich bis heute daran, den Film zu kucken. Auch wenn ich gerne noch einmal Michael Keaton in der Rolle des Batman gesehen hätte. Die Liste ließe sich noch sehr lang fortsetzen. Viel zu lang. Und dazu gesellen sich noch andere Dinge, wie: Wie geht man mit Menschen um, die einem Musiklabel die Treue halten, das im vergangenen Jahr einen Künstler unter Vertrag genommen hat, der sich fortwährend als Verschwörungstheoretiker übelster Güteklasse profiliert? Oder mit denen, die heute noch die Musik von Xavier Naidoo ganz großartig finden? Ich habe keine Antworten darauf und es gibt vermutlich auch keine. Vermutlich ist die Toleranzgrenze immer sehr individuell.
Auch Kettcar haben sich auf ihrem ganz großartigen, leider viel zu aktuellen Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ mit diesem Thema beschäftigt. „Kanye in Bayreuth“ heißt die Nummer, die definitiv zu den stärksten Tracks des an Highlights nicht armen Albums zählt. Texter und Sänger Marcus Wiebusch beschreibt die Intention hinter diesem Song wie folgt: „Was machen wir mit großer Kunst von moralisch problematischen Menschen? Warum gehen wir zum Beispiel mit dem Werk eines rechtsextremen Künstlers sanfter um, und verurteilen dagegen das eines pädophilen, dessen Songs wir eh nicht so gerne mögen? Ich habe häufig beobachtet, dass je größer die subjektive Liebe für einen Künstler ist, desto mehr wird gerne die objektive Welt ausgehebelt. Verständlich, weil wir ja auch oft eine emotionale Bindung zu dem Werk haben. Moral ist in dem Kontext eben nicht objektiv. Die beiden Welten clashen miteinander. Und was dann? Der Song ‘Kanye in Bayreuth’ hat keine Antwort auf diese Frage. Er versucht nur die Ambiguität, die dieses Thema umweht, einzufangen.“
Seit heute gibt es auch ein Video zum Song, das von Regisseur Benjamin Reder inszeniert wurde. Reder studiert an der TH Ostwestfalen-Lippe Kinematographie, dieses Video ist nach dem Clip zu „Sommer ‘89“ (von „Ich vs. Wir“) bereits die zweite Zusammenarbeit mit der TH. Reder erklärt sein Werk wie folgt: „Dieses Musikvideo war von Anfang an ein besonderes Projekt. Ein großes Musikvideo für eine große Band! Ich bin selbst Musiker und deshalb liegt es mir am Herzen, diesem starken Song ‘Kanye in Bayreuth’ mit einem kraftvollen Musikvideo Ausdruck zu verleihen! Unsere Crew hat sich bis zum Ende vielen kreativen Herausforderungen gestellt und wir sind jetzt sehr stolz auf das, was wir geschaffen haben.“
Ich lasse Euch das Video direkt mal da und hoffe in der Zwischenzeit, dass wenigstens nicht bei Taylor Swift noch irgendwas ausgebuddelt wird. Das würde mir angesichts der aktuellen Lage in dieser Welt vermutlich den Rest geben.