Zunächst gehörte ich zugegebenermaßen auch zu jenen, die Matt Reeves’ Beginn eines neuen, filmischen Batman-Universums gegenüber skeptisch eingestellt waren. Im Kino überzeugte mich „The Batman“ (2022) aber in allen Punkten. Heute würde ich nicht nur sagen, dass „The Batman“ ein wahnsinnig guter, zumal sehr düsterer Thriller ist, der neben von einer ausgesprochen spannenden Handlung auch von einem überraschend guten Cast getragen wird.
So hätte ich beispielsweise nicht vermutet, dass Robert Pattinson eine so gute Figur als Bruce Wayne / Batman abgeben würde. Dabei hatte der Mann gar nicht allzu lange vorher in Christopher Nolans „Tenet“ gezeigt, was er in Actionfilmen auf die Leinwand zu bringen vermag. Größte Überraschung war allerdings Paul Dano in der Rolle des psychopathischen Edward Nashton bzw. des Riddlers. So wie mich der ganze Film in seiner Bildsprache und Tonalität ein wenig an David Finchers Meisterwerk „Sieben“ erinnerte, so hatte auch Paul Danos Riddler eine gewisse Ähnlichkeit mit dem dereinst von Kevin Spacey porträtierten Serienmörder John Doe. Der, wir erinnern uns, seine Opfer den sieben Todsünden entsprechend um die Ecke brachte. Eine gleichermaßen faszinierende wie auch abschreckende Darstellung, die Dano da lieferte – und die ziemlich gehörig unter die Haut ging.
Darsteller Paul Dano war selbst von seiner Figur scheinbar so angetan, dass er sich mit dem serbischen Comic-Künstler Stevan Subic zusammentat, um in Form einer Vorgeschichte weitere Facetten des Riddlers zu beleuchten. Das Ergebnis nennt sich „Der Riddler – Das erste Jahr“, erscheint in diesen Tagen bei Panini Comics und ist, so viel darf ich im Vorfeld schon verraten, ganz große Kunst, die weit über das hinausgeht, was in Comics bzw. Graphic Novels sonst oft geboten wird.
Dem Titel des Comics entsprechend wirft „Der Riddler – Das erste Jahr“ einen Blick auf die Entstehungsgeschichte. Oder anders: Paul Dano erzählt uns hier, wie aus Edward Nashton der hochbrillante, aber sehr gefährliche Mörder mit einer Affinität zu tödlichen Rätseln wurde. Zunächst ist Nashton nicht viel mehr als ein Sonderling. Ein höchst intelligenter Sonderling, mit einem besonderen Talent, die Welt, durch Zahlen und Mathematik begreifbar(er) zu machen. Das brachte ihm einen Job als Finanzbuchhalter ein, dessen Aufgabe es ist, Zahlungen und Buchungen auf Ungereimtheiten zu überprüfen. Keine allzu große Herausforderung für ihn. Leider ist Nashton nicht mit dem größten Selbstbewusstsein ausgestattet, sodass stets andere die Lorbeeren für seine Leistungen kassieren.
Sein überragender Intellekt, seine Fähigkeit, aus Zahlen heraus Zusammenhänge zu erkennen, führt irgendwann wenig überraschend dazu, dass er auf Dinge stößt, die er besser nicht gefunden hätte. Zahlungen, Buchungen, Überweisungen zwischen Firmen, die den Mafia-Größen Gotham Citys gehören und die im Wesentlichen Geldwäsche verschleiern sollen. Und dann ist da seit einiger Zeit ein selbst ernannter Rächer in der Stadt unterwegs, der in einem Fledermauskostüm bösen Menschen das Fürchten lehrt. Nashton ist fasziniert von Batman und fühlt sich ihm auf eine fatale Weise verbunden. Im Verlaufe dieses besonderen Kleinods von einem Comic erfahren wir auch, dass Nashton als Waisenkind seine Kinderjahre in Arkham Asylum verbrachte, und es mit Thomas Wayne eine Verbindung zwischen Batman und dem Riddler gibt.
„Der Riddler – Das erste Jahr“ mit Worten zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Klar, zunächst mal kann ich festhalten, dass Paul Danos Origin-Story spannend geschrieben ist und sich der Mann mit viel Hingabe und Akribie dem Verbrechergenie angenähert hat, welches er zuvor auf der großen Leinwand in gleicher Form porträtierte. Ich denke, die Assoziation eines einigermaßen wahnsinnigen Typen, der mit Fragezeichen bedruckte Spandex-Anzüge trägt, ist dank des Films „The Batman“ und diesem Comic hier ein für alle Mal überschrieben worden. Aber das allein macht die Faszination dieses Comics noch nicht aus.
Die andere Seite der Medaille sind die Bilder von Stevan Subic, die oft nicht viel mit dem zu tun haben, was man für gewöhnlich in Büchern und Heften, die von Spandex-tragenden Figuren bevölkert sind, geboten bekommen. Vielfach gibt es weder klare Strichzeichnungen noch die üblichen Panel-Aufteilungen. Dafür aber Bilder, die in Fragmente zerteilt worden sind und mitunter an die Zeichnungen, Texte, Notizen usw. erinnern, die der Riddler in „The Batman“ ebendiesem immer wieder hinterlassen hat. Ein beachtlicher Teil gegen Ende des Comics besteht sogar nur aus etwas, das an medizinische Akten erinnert und auf dem nicht viel mehr als Worte zu finden sind.
Das Spiel mit typografischen Gestaltungselementen ist hier nicht nur optisches Highlight, sondern auch ein höchst gelungenes Mittel, um den gestörten Verstand von Edward Nashton zu verdeutlichen. Dass der Typ irre ist, wurde zwar eigentlich schon durch den Film deutlich, durch entsprechende Aufarbeitung dieses Comics wird dieser Eindruck aber noch einmal drastisch verstärkt.
Joaquin Phoenix bekam für seine Darstellung des „Joker“ im gleichnamigen Film aus dem Jahr 2019 einen Oscar, die Netflix-Serie „Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“ wurde zum großen Hit bei Netflix. Das Electro-Industrial-Projekt Skynd schreibt die eigene Musik um real existierende Mörder bzw. Mordopfer herum und auch Seabound-Sänger Frank M. Spinath hat sich auf seinem Solo-Album „Lionhearts“ in dem Stück „Murder“ musikalisch mit dem US-amerikanischen Serienmörder Edmund »Ed« Emil Kemper (III) auseinandergesetzt. Worauf ich hinaus möchte: Vom Bösen scheint eine Faszination auszugehen, welche die Kreativität von Kunstschaffenden beflügelt.
„Der Riddler – Das erste Jahr“ reiht sich nahtlos ein in die gelungenen Werke, in denen ein faszinierend-makabererer Blick in das Seelenleben eines Verbrechers geworfen wird. Eine gewisse Ähnlichkeit zum bereits erwähnten „Joker“ kann nicht geleugnet werden. Um eine lange Geschichte an dieser Stelle abzukürzen: „Der Riddler – Das erste Jahr“ ist grafisch wie inhaltlich das erste, richtig große Comic-Highlight des Jahres 2024! Und auch wenn dieser Comic als DC Black Label erscheint, somit losgelöst ist vom eigentlichen Canon, so kann ich mir doch sehr gut vorstellen, dass Dano und Subic hier ein Meisterstück geschaffen haben, das nicht nur in den Batman-Canon von DC Comics hineinwirkt, sondern noch in Jahren als das gefeiert wird, was es ist: große Kunst!