Bei Facebook grassiert gerade eine dieser Challenges, die ich persönlich zwischen all dem Unrat, den das „soziale“ Netzwerk so zutage fördert, als harmlosen Spaß verbuche und bei dem ich selbst auch mitgemacht habe. Es geht darum, an zehn Tagen zehn verschiedene Cover von Musikalben zu posten, die einen Einfluss auf den eigenen Musikgeschmack gehabt haben. Allerdings nur die Cover, keine weiteren Erklärungen, keine Rezensionen, keine Geschichten dazu. Diese Challenge hat den von mir hoch geschätzten Kumpel und Bloggerkollegen Carsten Drees drüben bei Mobilegeeks zu einem Kommentar verleitet, in welchem er es (kurz gesagt) bedauert, dass ihm das reine Cover-Geposte zu wenig ist und er es vermisst, die Beweg- und Hintergründe für die jeweilige, mitunter doch sehr individuelle Auswahl zu erfahren.
Tatsächlich kann ich beide Positionen verstehen: Die derer, denen es genügt, einfach nur die Bilder zu posten und alles Weitere der Spekulation anderer zu überlassen. Nach meinem Empfinden sorgt das für ein paar interessante Aha-Momente, vor allem wenn man die Facebook-Kontakte persönlich ganz gut kennt. Ich verstehe aber auch, wenn man wie Casi gerne mehr über die jeweilige Auswahl erfahren möchte – vor allem, wenn man selbst ein großer Musiknerd ist. Die kommentarlose Variante habe ich in den letzten zehn Tagen auf meinem privaten Profil bei Facebook durchgezogen; die kommentierte reiche ich nun hiermit nach.
Tag 1: Alphaville – Forever Young
Während sich andere Leute, die heute dem Synth-Pop verfallen sind, vornehmlich von Depeche Mode einfangen ließen, war es bei mir die Band Alphaville, die mich entsprechend verführte. Von allen Alben, die ich im Laufe meines Lebens gehört habe, wird „Forever Young“ wohl für alle Zeiten unangefochten auf Platz 1 stehen bleiben, was die Wiedergabehäufigkeit anbelangt. Schließlich war „Forever Young“ das erste Album, das ich mir selbst vom eigenen Taschengeld kaufte und das mangels Alternativen entsprechend oft gehört wurde.
Wie ich auf „Forever Young“ kam, weiß ich nicht mehr genau. Ich meine, es wäre durch „Sounds Like A Melody“ gewesen, das ich irgendwo aufschnappte. Bei einer Veröffentlichung im Jahre 1984 liegt auf der Hand, dass dieses Album eines von denen war, die ich quasi später nachgearbeitet habe. Schließlich bin ich selbst Baujahr 1982. Dafür kann ich mich noch sehr genau erinnern, dass ich dieses Album während eines Aufenthalts bei meinen Großeltern an der Ostsee (Wismar, um genau zu sein) im dortigen Markant kaufte.
Somit hat Alphavilles „Forever Young“ nicht nur sehr nachhaltig meine Vorliebe für synthetische Musik geprägt, sondern ist auch bis in alle Ewigkeit mit einigen tollen Kindheitserinnerungen an Sommerferien an der Ostsee verbunden. Dadurch, dass das vor einer Zeit war, in der man mit einem Smartphone quasi jeden Moment fotodokumentarisch festhalten kann, ist „Forever Young“ immer auch ein bisschen die Dia-Show in meinem Kopf.
Und ungeachtet von alledem sagt der Musikliebhaber in mir, dass die auf diesem Album versammelten Songs durch die Bank weg zeitlose Klassiker sind, die man auch heute, rund 36 Jahre nach Erstveröffentlichung, ausgezeichnet hören kann.
Tag 2: VNV Nation – Empires
Später als man meinen mag, habe ich die Düstermucke für mich entdeckt. Es muss in der Zeit gewesen sein, als sich meine Ausbildung zum Buchhändler gerade dem Ende näherte und ich noch viel Zeit hatte, Musik über einen der allerersten mp3-Player (erinnert sich noch jemand an den Diamond Rio PMP300?), den ich mir im Vorjahr gekauft hatte, zu hören. Sagenhaftes Ding damals! Immerhin acht Songs bzw. rund 30 Minuten Musik passten auf dieses kleine Dingelchen, das nach heutigen wie damaligen Maßstäben einfach unverschämt teuer war. Aber hey, das erste Azubi-Gehalt wollte ja schließlich im örtlichen Pro Markt verbraten werden! Jedenfalls gab es damals Musikzeitschriften, um neue Musik zu entdecken, die mich aber nie sonderlich interessiert haben und die ich, wenn überhaupt, nur wegen der beiliegenden CD gekauft habe. Und es gab dieses (gefühlt) gerade aufgekommene Internet, um sich hinsichtlich neuer Mucke zu benapstern. Ähem.
Jedenfalls war dieses Internet maßgeblich daran beteiligt, auf die Musik von VNV Nation zu stoßen, was dazu führte, dass ich schon wieder mein Milchgeld verbimmelte – dieses Mal allerdings bei WOM am Ku’Damm. „Empires“ wollte gekauft und größtenteils auf den Rio überspielt werden. Damit begann nicht nur meine musikalische Reise in die Düsterszene (die ich heute schon wieder zu großen Teilen verlassen habe), sondern auch meine „Beziehung“ zu VNV Nation. Heute wie damals bin ich nicht mit allem einverstanden, was Ronan Harris musikalisch so macht, dennoch werden VNV Nation und ich den Weg wohl auch weiterhin so lange zusammengehen, wie er eben dauert.
Und wenn ich „Empires“ heute höre, denke ich noch so manches Mal an die mindestens einstündige Fahrt von irgendwo in Friedrichshain in Richtung der Borsighallen in Tegel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass ich Songs wie „Legion“ oder „Standing“ damals rückwärts im Schlaf hätte runterbeten können, oder? Dolles Ding dieser Diamond Rio, mit seiner Kapazität für 8 Songs, aber das sagte ich schon. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, nur acht Songs mit sich herumzutragen.
Tag 3: Pink Floyd – A Momentary Lapse Of Reason
Die meisten Alben von Pink Floyd habe ich erst kennengelernt, nachdem sie veröffentlicht worden sind. Logisch. Als die Platten auf den Markt kamen, waren selbst meine Eltern mitunter noch nicht im geschlechtsreifen Alter. Dieses Album hier ist von 1987, der Autor dieser Zeilen war selbst gerade überschaubare fünf Jahre alt. Da war Pink Floyd für mich noch kein Thema. Das kam später erst, als ich Kassetten meines Vaters hörte, auf die er die Sondersendung des Berliner Radiosenders RIAS 2 zum 750. Geburtstag der Stadt Berlin aufgenommen hatte. Diese längste Hit-Parade der Welt beinhaltete diverse andere Bands und Künstler, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, aber eben auch mehrere Songs von Pink Floyd. Und wie das so ist, wenn man aufwächst und älter wird – an manche Sachen erinnert man sich später noch und beginnt im Zuge der musikalischen Sozialisation eigene Nachforschungen anzustellen.
Bei Pink Floyd bin ich hängengeblieben, andere Künstler sind währenddessen gekommen und wieder gegangen. Die Ära Gilmour hat mich damals am meisten beeindruckt und tut es noch immer, dieses Album hier beinhaltet mit „One Slip“, „Yet Another Movie“, „Terminal Frost“ und natürlich „Sorrow“ einige meiner liebsten Lieder der Briten. Als ich Pink Floyd für mich entdeckte, war es allerdings für Konzertbesuche schon zu spät.
1994 fand die „The Division Bell“-Tour statt und unsereins hatte mit 12 Jahren andere Dinge im Kopp als Pink Floyd oder Konzerte. Ich hätte diese Band wirklich gerne mal live gesehen. Ein wenig ging dieser Wunsch allerdings in Erfüllung, als ich David Gilmour 2015 in Oberhausen im Rahmen seiner „Rattle That Lock“-Tour erleben konnte. Erfreulicherweise bestand die Setlist damals zu nicht unwesentlichen Teilen aus Pink-Floyd-Klassikern. Heute ist Pink Floyd ein Dauerbrenner bei mir – und „Schuld“ war letztlich RIAS 2.
Tag 4: Dire Straits – Brothers In Arms
Vielleicht würde ich heute hier nicht sitzen und irgendwas über meine musikalische Sozialisation in einen Blog schreiben, dessen Schwerpunkt auf Musik liegt, wenn mein alter Herr selbst nicht früher die Wohnung mit Musik beschallt hätte. Bevor mein werter Herr Papa dereinst einen Hörsturz hatte und seitdem auf einem Ohr taub wurde, war eigentlich immer Musik sein ständiger Begleiter.
Ich erinnere mich noch gut, wie wir damals im Altbau in Berlin-Friedrichshain wohnten, fünfte Etage, kein Fahrstuhl, dafür aber Kachelofen. Ihr müsst wissen, dass es ungefähr nichts gibt, was mein Dad nicht selbst bauen, basteln, erfinden, reparieren oder anderweitig handwerklich (er)schaffen kann. Während er also zwei goldene Hände hat, habe ich dafür vier Füße bekommen. So ist das eben. Zu den unzähligen Dingen, die damals diese (für Kinderaugen) unfassbar große Wohnung mit selbst gebauten Dingen wie Möbeln usw. füllten, gehörte auch ein großes Süßwasseraquarium (später ist der Mann auf Meerwasseranlagen umgestiegen, der größeren Herausforderung wegen). Und regelmäßig (ich bilde mir ein, es wäre immer sonntags gewesen), stand mein Vater also im Wohnzimmer und machte das Aquarium sauber. Ich seh’ ihn heute noch vor meinem geistigen Auge da stehen, wie er mit hochgekrempelten Ärmeln im Aquarium herumnestelte, während die großen Wohnzimmerfenster den dezenten Lärm der Frankfurter Allee in die Stube ließen. Und während er also das Aquarium reinigte, dudelten immer auch die Dire Straits und Mark Knopfler nöhlte sein „these mist covered mountains“ als Einleitung des Titelstücks in die Tapete.
Meine Mutter und ich, wir konnten es irgendwann schon nicht mehr hören.
Zumal erschwerend hinzukam, dass ihm, bedingt durch die auch heute noch außergewöhnliche Klangqualität der CD (damals noch von analog auf digital übertragen und nicht wie inzwischen üblich alles komplett aus der Konserve und völlig übersteuert), dieses Album als Referenz für jede neue Anlage und vor allem Lautsprecherboxen diente. Das ist übrigens bis heute so. Auch die Boxen, über die ich heute meine Musik konsumiere und die viele Veröffentlichungen erschreckend blass werden lassen, sind Eigenbauten meines Vaters. Und mit den Dire Straits habe ich im Laufe der Jahre meinen Frieden gemacht.
Tag 5: Phil Collins – … But Seriously
Die Ausgangslage ist die gleiche wie bei den Dire Straits. Die Dauerbeschallung durch meinen alten Herrn ist schuld! Wenn nicht gerade Mark Knopfler im Wohnzimmer nuschelte, dann war es Phil Collins, der sich sehr inbrünstig und melodramatisch wünschte, dass es nun doch endlich mal auf ihn herabregnen würde! An Wochentagen orientiert: Knopfler war eher so Sonntag, Collins hingegen eher Freitagabend – oder bei schlechter Laune.
Ich erwähnte gerade, dass zu den Dingen, die unsere Altbauwohnung damals füllten, viele Selbstbauten meines Vaters gehörten und hier ganz speziell Lautsprecher. Immer auf der Suche nach dem perfekten Klang hatte er gefühlt einen voluminösen Klangkörper nach dem anderen gebaut. Und Ihr dürft mir gerne glauben, wenn ich sage: Das ist eine besondere Wissenschaft für sich. „…But Seriously“ gehörte zu der anderen Referenz- bzw. Test-CD, die immer dann zum Einsatz kam, wenn ein Lautsprecher getestet werden musste. Massiven Altbauwänden war es zu verdanken, dass man da auch mal richtig zeigen konnte, was die Boxen so hergaben. Und Sound, liebe Leute, war und ist für meinen Dad immer ungleich Lautstärke und Bassgewummer gewesen. Wenn Klang und Ton wie Wasser in der Wanne einen voluminösen Raum füllten, ohne dass Muttis Porzellan in der Vitrine anfing zu vibrieren, dann war es gut. Der Weg bis dahin war aber manchmal ziemlich lang und ich kann Euch sagen: Keine Berliner Altbauwohnung ist groß genug, dass die Theatralik von Herrn Collins nicht auch bis in den letzten Winkel dringt.
Heute mag ich Phil Collins sowie das Album ganz gerne hören. Ich schiebe das auf den Umstand des Älterwerdens. Meine Mitmenschen werde ich damit dennoch nicht im gleichen Maße auf den Saque gehen, denke ich.
Tag 6: U2 – The Joshua Tree
Rückblickend habe ich ein bisschen das Gefühl, dass es in meiner Filterblase in der „Zeit des Erwachens“ (sprich: Musikmenschwerdung oder auch Pubertät) nur zwei Strömungen gab: Entweder hörte man Depeche Mode oder man war U2-Fan. Beides ging irgendwie nicht. Ich bin bei U2 hängengeblieben. Depeche Mode haben mich zwar auch begeistert, allerdings nie in gleichem Maße wie so manch andere.
Die Geschichte hinter U2 ist relativ einfach und schnell erzählt: Sommerferien bei den Großeltern an der Ostsee, ein langweiliger weil verregneter Tag. Fernsehen glotzen und bei einem Musiksender hängen bleiben (damals gab es das ja noch) und mir von Bono vorsäuseln lassen, dass er immer noch nicht gefunden hätte, wonach er suche. Es folgten spontane Begeisterung und der Wunsch, dieses Album zu besitzen. In meiner damals noch sehr überschaubaren CD-Sammlung gehörte „The Joshua Tree“ zu den allerersten Alben, die darin, vom eigenen Milchgeld finanziert, eingezogen sind. U2 mag ich heute immer noch gerne und – Obacht, blasphemous rumors jetzt, vielleicht, möglicherweise immer noch ein wenig lieber als Depeche Mode. Auch wenn ich natürlich nicht ernsthaft einen Vergleich anstellen wollen würde.
Randnotiz: Sowohl bei der einen als auch bei der anderen Band ist es mir bisher vergönnt geblieben, sie live zu erleben. Jedes Mal, wenn ich ein Ticket für eine der beiden Bands hatte, kam mir etwas so Kostspieliges mit meinem Auto dazwischen, dass ich die Tickets wieder verbimmeln musste. Aus Rücksicht auf mein Auto und den Umstand, darauf angewiesen zu sein, werde ich mich einfach künftig nicht mehr um Konzertkarten von U2 bemühen. Oder Depeche Mode.
Tag 7: Nine Inch Nails – The Downward Spiral
Also ich gehörte 1994 definitiv nicht zu den coolen Kids, die sich dieses brachiale Ungetüm eines Albums in die Gehörgänge schoben. Im besten Fall war ich seinerzeit ein pickeliger Teenager. Tatsächlich habe ich NIN erst ein paar Jahre später entdeckt. Ungefähr vier Jahre später, um genau zu sein, als ein gewisser Marilyn Manson mit seinen „Mechanical Animals“ um die Ecke kam. Damals hatte ja MTV gewissermaßen einen musikalischen Bildungsauftrag und durch die Austrahlung des Videos zu „The Dope Show“ fügte sich letztlich ein Puzzle-Teil zum anderen. Über Marilyn Manson bin ich bei NIN gelandet und war als 16-Jähriger natürlich außerordentlich dankbar für dieses rebellische, dieses wütende, dieses brachiale Album, das für mich so manchen Frust durch Musik kanalisierte. Vielleicht war ich damals dann auch schon etwas weniger pickelig. Und dann beinhaltete dieses Album auch noch den größten aller Würfe dieser Band, „Hurt“.
Der Wunsch, mal einem Konzert von Nine Inch Nails beizuwohnen, erfüllte sich erst sehr viel später: im Sommer des Jahres 2014 in der Zitadelle zu Spandau. Eines dieser Lebensereignisse, für die ich heute noch dankbar bin. Nine Inch Nails sind in meinen Playlisten heute nicht mehr ganz so präsent wie noch damals, bekommen aber mit jeder neuen Veröffentlichung wieder einen gehörigen Schub.
Tag 8: Garbage – Version 2.0
In dieser Zeit, als ich auf Marilyn Manson aufmerksam wurde, ploppte auch eine weitere wichtige Person gleichen Nachnamens auf meinem musikalischen Horizont auf: Shirley Manson, zusammen mit ihren Jungs von Garbage. Ich kannte zwar Garbage schon vorher, war da aber mehr ein verknalltes Pubertier als wirklich beeindruckt von den heutigen Klassikern „Milk“, „Queer“ oder „Only Happy When It Rains“. Musikalisch mehr abgeholt haben sie mich dann mit „Version 2.0“. In meiner Liste der meistgespielten Alben ist dieses ebenfalls ganz weit vorne mit dabei.
Dieser Overkill an Loops, Samples und Shirleys beinahe außerweltlich darüber schwebender Stimme, welcher auch heute noch gekonnt kaschiert, dass es lediglich ein paar sehr pfiffig konstruierte Pop-Songs sind und nicht mehr der lässig-unterkühlte Alternative Rock des Debütalbums, begeistert mich noch immer. Zwar hatten Garbage meines Erachtens mit „Version 2.0“ ihren musikalischen Zenit schon wieder überschritten (was sollte danach schließlich auch noch kommen?), dennoch freue ich mich bis heute über jede neue Platte, die Shirley und ihre Gang raushauen.
Tag 9: Kettcar – Du und wieviel von deinen Freunden
Dass wir heute bei Avalost auch über Musiker*innen und Künstler*innen wie Enno Bunger, Gloria oder eben Kettcar berichten, hat im Wesentlichen mit diesem Album der Hamburger Band zu tun. Es ebnete den Weg für meine Begeisterung, was derartige Mucke anbelangt. Kennengelernt habe ich es Jahre nach seiner Veröffentlichung. „Du und wieviel von deinen Freunden“ erschien 2002, zu der Zeit war ich allerdings gerade dabei, so richtig schön in die Musik der sogenannten schwarzen Szene abzutauchen. Passenderweise habe ich dieses Album in Hamburg kennengelernt.
Es muss 2009 gewesen sein, vielleicht auch 2010, genau weiß ich das nicht mehr. Ich war beruflich zu der Zeit viel in Deutschland unterwegs, heute hier und morgen da. Nun war ich also gerade in Hamburg, hatte einen freien Tag und verbrachte diesen mit Kolleg*innen in einer Hafenkneipe (aka Strandbar), im Strandkorb liegend, Jever trinkend, große und kleine Schiffe glotzend und das generelle Treiben im Hamburger Hafen beobachtend. Jede*r von uns schweigend in dieses angeregte Gespräch vertieft. Jemand hatte ein Musikabspielgerät dabei; vermutlich wird es ein Smartphone gewesen sein, das leise vor sich hin dudelte, als „Landungsbrücken raus“ von Kettcar ertönte. Wie passend! Und von jetzt auf gleich hatte die Band mich für sich gewonnen.
Heute halte ich Kettcar für eine der besten und wichtigsten Bands ihrer Zunft, „Du und wieviel von deinen Freunden“ für eines der besten deutschsprachigen Rockalben. Ob es allerdings jemals so weit gekommen wäre, wenn es nicht die Zufallswiedergabe an jenem Sommertag in Hamburg so gewollt hätte, bleibt der Spekulation überlassen.
Tag 10: Seabound – Beyond Flatline
Sicherlich ist für Leute, die mich persönlich kennen, nicht ganz so überraschend, in diesem Artikel dieses Album erwähnt zu finden. Schließlich ist dieser Blog hier nach einem Song von Seabound benannt. So richtig weiß ich nicht mehr, wie Seabound auf meinem Radar aufgetaucht sind. Irgendwie waren die ganz plötzlich da in unserer Clique – und mauserten sich ganz schnell zu einer ganz wichtigen, ganz besonderen Größe in unserer musikalischen Welt.
Ich erinnere mich noch gut, wie wir damals zum Feiern von Wolfsburg nach Hannover gefahren sind (in WOB gab es ja nüscht!), vier oder fünf Leute in einem klapprigen VW Lupo gezwängt, und alle sangen mehr schief als eben „Castaway“ von Seabound mit, das aus einem Autoradio ertönte, welches mit seinen bunten LEDs nicht zum Rest des Gefährts passen wollten. Katzenjammer hätte sich unmöglich schöner anhören können! Jedenfalls: Ich fing an, mich mit dem Tun der Band zu beschäftigen, landete bei „Beyond Flatline“ und daraus wurde das für mich wichtigste Album aller Zeiten. Wenn ich nur noch ein Album hören dürfte oder könnte – lasst es „Beyond Flatline“ sein!
Es ist das zweite Album des Duos, bereits 2004 erschienen und immer noch der Maßstab, an dem ich hauptsächlich das musikalische Tun von Frank M. Spinath bemesse. Alleine schon wegen des Überfliegers „Watching Over You“, von dem ich aus sicherer Quelle weiß, dass er auch für die Seabound-Protagonisten eine wichtige Rolle spielt.
Anekdote dazu: Es begab sich im Jahre 2007, als Seabound ihre bis dato letzte kleine Tour spielten, ehe Martin Vorbrodt (der Musiker des Duos) in die Vereinigten Staaten von Amerika übersiedelte, wo er noch heute lebt. Für mich und meine Kumpels bedeutete das: Nichts wie hin ins Jolly Joker nach Braunschweig (gibt es heute auch nicht mehr – also das Jolly, nicht Braunschweig) und ordentlich abfeiern. Haben wir getan. Unvergessen der Moment, als zwei einzelne Herren (eventuell war ich einer davon) in der ersten Reihe des in der Größe sehr überschaubaren Wintergartens des Jollys standen und schon mal lautstark die Zugabe „Watching Over You“ anstimmten. Da wir direkt vor der am Boden klebenden Setlist standen, wussten wir ja, was kommt. Und schon kurz darauf kam Sänger Frank zurück auf die Bühne (irgendwie musste er in der kurzen Bühnenpause an eine Hawaiikette der parallel zum Konzert im Nebenraum stattfindenden Hawaii-Party gekommen sein und trug sie um den Hals), hielt besagten beiden Herren das Mikro hin und diese intonierten mit voller Inbrunst „Watching Over You“ – anschließenden Szenenapplaus vom Publikum inklusive! Wie es musikalisch mit Seabound weitergeht, weiß so richtig keiner, aber an Alternativen mangelt es nicht, nicht zuletzt auch durch Tausendsassa Frank M. Spinath. Seabound aber wird immer eine der größten Rollen in meinem musikalischen Leben spielen.
So. Die Auswahl erfolgte ziemlich spontan und willkürlich und natürlich gäbe es noch unzählige weitere Alben zu nennen. Da die Challenge aber sich auf zehn Alben beschränkte, war dies die Auswahl, die mir in den Sinn gekommen ist. Würden wir uns zusätzlich aber auch noch über einzelne Songs unterhalten … puh! Die Liste wäre außerordentlich lang! Wer nun, davon inspiriert, seine Geschichten zu zehn seiner wichtigsten Alben erzählen möchte, kann das gerne tun – hier, in den Kommentaren oder bei Facebook. Ich bin gespannt!