Als Tim Burton 1989 seine Vision von „Batman“ ins Kino brachte, war das zweifelsohne die Geburtsstunde der modernen Superheldenfilme. Ich bin mir ziemlich sicher: hätten sich damals Michael Keaton und Jack Nicholson in dem düsteren, von Burtons üblichen Gothic-Style durchzogenen Superhelden-Epos nicht auf die Mütze gehauen – die beinahe schon als Reizüberflutung zu bezeichnende Schwemme an DC- und Marvel-Filmen und -Serien, wie wir sie in den Folgejahren erlebt haben, sie wäre ausgeblieben.
Die Fortsetzung „Batmans Rückkehr“ setzte dem ganzen noch eins obendrauf und ist wohl nicht nur für mich einer der besten Comic- bzw. Superheldenfilme aller Zeiten. Leider jedoch fand Burtons Lauf damit ein Ende, einen dritten Teil mit Michael Keaton inszenierte er nie. Ich bin möglicherweise wieder einmal ein bisschen spät zur Party erschienen, aber der Kinostart von „The Flash“, in dem Michael Keaton erstmals seit rund 30 Jahren wieder in das Kostüm des maskierten Rächers schlüpft, scheint mir ein guter Anlass zu sein, mich mehr als 20 Jahre nach meiner letzten Review eines Comics wieder mit diesem Medium auseinanderzusetzen und Euch an dieser Stelle die Fortsetzung zu „Batmans Rückkehr“ vorzustellen, die als Film nie erschienen ist: „Batman ‘89“.
„Batman ‘89“ erschien Ende November des vergangenen Jahres beim Panini Verlag, bringt 148 Seiten auf die Waage und versammelt die US-Hefte 1 – 6. Geschrieben hat die Story niemand anderes als Sam Hamm, der das Drehbuch für den ersten „Batman“-Film verfasste und bei der Fortsetzung mit der ein oder anderen Idee um die Ecke kam. Die Handlung des Comics knüpft an „Batmans Rückkehr“ an. Max Shreck und Oswald Cobblepot sind tot, dafür steht der in „Batmans Rückkehr“ nicht beachtete Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent wieder im Fokus der Geschichte.
Ohne allzu sehr in die insgesamt gelungene Erzählung des Comics abtauchen zu wollen: Harvey Dent hat mit Barbara Gordon angebandelt und ist immer noch auf dem Trip, Gotham City vom Verbrechen befreien zu wollen. Ursache allen Übels ist für ihn allerdings ein uns allen nur allzu bekannter, maskierter Rächer. Das ist so überraschend auch nicht, schließlich ziehend marodierende Banden durch Gotham, bei denen sich nicht wenige Verbrecher ebenfalls eine Fledermausmaske über das Konterfei gezogen haben.
Reichlich zentraler Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist der Bezirk Burnside, ein vor allem von afroamerikanischen Menschen bewohnter Stadtteil Gothams, in dem jemand anderes als Batman für Recht und Ordnung sorgt. Ein junger Mann namens Drake Winston nämlich, der sich im Verlaufe der Handlung zu Batmans ebenfalls allzu bekannten Sidekick entwickeln sollte – ohne sich jedoch vom dunklen Ritter die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Und wer an das Ende von „Batmans Rückkehr“ zurückdenkt – irgendwo in den Schatten der Großstadt huscht auch immer noch eine sehr menschliche Katze durch die Straßen und mischt ihrerseits ebenfalls böse Buben auf.
Ziemlich schnell wird klar, dass Harvey Dent eben nicht der Strahlemann ist, als den er selbst sich gerne inszeniert, sondern auch über ein paar sehr unschöne Wesenszüge verfügt, denen durchaus kriminelle Energie innewohnt. Dass aus Harvey Dent irgendwann Two-Face wird, kann, glaube ich, erwähnt werden, ohne eine Spoiler-Warnung platzieren zu müssen. Der Weg dorthin ist jedoch von Sam Hamm prima ausgearbeitet worden.
Tatsächlich gönnt sich Hamm viel Zeit für die Charakterentwicklung von Harvey Dent und Drake Winston, die beiden zentralen Figuren dieses Comics. „Batman ‘89“ steht zwar auf dem Cover und man könnte es zunächst für eine weitere Batman-und-Robin-Story halten – tatsächlich ist es aber vielmehr eine Robin-und-Batman-Geschichte. Bruce Wayne/Batman sind in Hamms Erzählung, die wirklich hervorragend an die beiden Tim-Burton-Filme anknüpft und diese ergänzt bzw. erweitert, zwar präsent, aber irgendwie doch nur Randerscheinungen.
Im Mittelpunkt stehen die beiden afroamerikanischen Männer, die auf der guten und auf der bösen Seite stehen. Angedacht war mal, dass Marlon Waynes die Rolle des Robins übernimmt. Heute sind Schwarze als Superhelden keine Seltenheit mehr. Man denke nur an den leider viel zu früh verstorbenen Chadwick Boseman und seine fantastische Darstellung des „Black Panther“. In den 1990er-Jahren aber, in denen die Fortsetzung hätte stattfinden können, wäre ein afroamerikanischer Robin ein Novum gewesen. Ein bisschen ist „Batman ‘89“ also eine Art später Tribut. Eine Form von „what if“, sozusagen.
Dass der Comic dabei einige Längen entwickelt, die dazu verführen, die Sprechblasen nicht mehr ganz so gründlich zu lesen, sondern mehr zu überfliegen – geschenkt. Es kracht und knallt nicht in jedem Panel dieses Büchleins, und insgesamt gesehen ist das auch gut so. Dafür scheint es umgekehrt im Grande Finale des Comics beinahe ein bisschen zu schnell zu gehen. Es ist also eine leichte Unwucht im Pacing festzustellen, die manche Leser*innen möglicherweise stört.
Auch optisch weiß „Batman ‘89“ zu gefallen. Die dargestellten Personen, von Michael Keaton über Billy Dee Williams bis hin zu Michelle Pfeiffer wurden von Zeichner Joe Quinones gut getroffen. Über weite Strecken wissen die Zeichnungen auch durch Details und Dynamik zu gefallen. Zusammen mit den Farben von Leonardo Ito ergibt sich ein stimmiges und stimmungsvolles Bild, das zu überzeugen weiß. Die Abweichungen zu Burtons filmischer Vision – also weniger Gotik, mehr Farben usw. – gehen in Ordnung, da sich der Comic einer Seite Gothams widmet, die bisher noch nicht gezeigt worden ist. Ob nicht Tim Burton ebenfalls von seiner ursprünglichen Vision Gothams abgewichen wäre, darüber lässt sich heute nur noch spekulieren.
Festzuhalten bleibt abschließend also Folgendes: „Batman ‘89“ ist eine unterhaltsame Fortsetzung der Filme von Tim Burton, die aufzeigen, wie ein möglicher dritter Teil hätte aussehen können, wenn er denn gedreht worden wäre. Wer sich also zu den Fans der Burton-Filme zählt und bislang dieser „was wäre gewesen, wenn“-Frage nachhing, bekommt mit „Batman ‘89“ eine Antwort. Eine zufriedenstellende noch dazu.