Auch wenn man sicherlich geteilter Meinung über die Qualität von „Deadpool & Wolverine“ sein kann, eines ist doch unstrittig: An den Kinokassen lässt es der jüngste Ausflug ins Marvel Cinematic Universe gerade richtig rumsen. Weltweit betrachtet steht die blutige Buddy-Komödie mit Ryan Reynolds und Hugh Jackman in den Titelrollen kurz vor der ersten Milliarde Dollar Einspielergebnis.
Nun wird es einige Menschen im Publikum geben, welche die Figur Deadpool vorwiegend (vielleicht auch ausschließlich) aus den Filmen kennen. Die dahinterstehende Comic-Historie bei Interesse nachzuarbeiten ist jedoch noch vergleichsweise überschaubar. Zwar gibt es auch in gedruckter Form zahlreiche Auftritte des Söldners mit der großen Klappe. Dennoch: im Vergleich zu anderen Figuren des Hauses der Ideen wäre das bei der erst 1991 von Fabian Nicieza und Rob Liefeld geschaffenen Figur durchaus noch machbar.
Damit man aber auch weiß, welche der vielen Geschichten im Backlog der Figur sich lohnen, sie (noch einmal) durchzulesen, bietet sich als Orientierung die „Marvel Must-Have“-Reihe von Panini Comics an. Unter diesem Label erscheinen in schöner Regelmäßigkeit Storys erneut, die von besonderer Relevanz in der Welt der bunten Bilder sind. Nicht immer ist alles zwingend tatsächlich auch ein Must-Have, andererseits liegt solch eine Einschätzung natürlich auch immer zu einem gewissen Grad im Auge der Betrachtenden.
Der Band „Marvel Must-Have: Deadpool – Treibjagd“, erstmals 1993 veröffentlicht, war Deadpools erstes Abenteuer als Titelheld. Vom Durchbrechen der 4. Wand war Wilson Wade alias Deadpool damals noch ein ganzes Stück entfernt; das Mundwerk war dennoch auch damals schon mehr als lose.
Geschrieben hat dieses durchaus unterhaltsame Stück Comic Fabian Nicieza, einer der beiden Schöpfer Deadpools. Die Story ist tendenziell eher überschaubar ausgefallen. Der unlängst aus dem Leben geschiedene Philanthrop Tolliver hat nicht weniger als die mächtigste Waffe der Welt in seinen Hinterlassenschaften platziert. Es braucht keine Kristallkugel, um zu erahnen, dass nicht nur Deadpool sich an der tödlichen Schnitzeljagd nach… ja, was eigentlich? … beteiligt, sondern auch unter anderem der Juggernaut und Black Tom. Alle Beteiligten versprechen sich sonstewas von dem, was auch immer im Landsitz des Verblichenen versteckt sein soll. Da kann man schon mal die Fetzen fliegen lassen, was? Und genau das passiert auch.
Was die Handlung an Finesse, an Originalität oder gar an Spannung vermissen lässt, macht sie durch die flotten Sprüche des regenerierenden Degenerierten wieder wett. Auch, wenn der Comics Code und die zugehörige Prüfstelle bzw. Selbstzensur 1993 schon sehr auf dem Rückmarsch war – ein bisschen nimmt es mich doch wunder, dass das so durchgewunken wurde.
Gezeichnet hat das ein damals noch reichlich greenhorniger Joe Madureira. Einige Jahre, bevor sich der Mann in seinen eigenen Schöpfungen (allen voran „Battle Chasers“) darin hineinsteigerte, den Damen in seinen Comics immer noch größere Oberweiten zu zeichnen, lieferte er hier jede Menge schwungvoller und dynamischer Action ab, die den Test der Zeit meines Erachtens gut überstanden haben. Mimik, Gestik, Panelaufteilung – doch, doch. Talent für fetzig-flotte Comic-Action hatte Mad! scheinbar schon immer.
Bleibt die noch zu klärende Frage, ob dieser Comic tatsächlich ein Must-Have ist. Das hängt gerade und ganz besonders von der Perspektive ab. Würde man nur den Inhalt in Betracht ziehen oder die Farbgebung, die anno dazumal halt noch nicht so richtig geil war, dann würde ich sagen: kannste eigentlich auch in der Garage stehen lassen, dieses Moped. Aber da es sich um das erste Titel-Abenteuer Deadpools handelt, noch dazu eine ganze Weile, ehe das Konzept der Figur um das stets und ständige Durchbrechen der 4. Wand erweitert wurde und sich ein gewisser Unterhaltungswert nicht leugnen lässt, denke ich: Jau, ist ein Must-Have. Für comicgeschichtlich Interessierte erst recht.
