In den quasi unendlichen Weiten der (Marvel-)Comics ist so, dass Rollen immer wieder mal neu besetzt werden. Will sagen: gleiche Verpackung, also Kostüm, aber anderer Inhalt. Allen voran fällt mir gerade Spider-Man ein, den es in mehreren Darreichungsformen gibt. Und dank des Multiversum-Konzepts sind die Möglichkeiten im Prinzip auch unendlich. Was man anhand des Animationsfilms „Spider-Man: Into the Spider-Verse“ und besonders dessen Nachfolger, „Spider-Man: Beyond the Spider-Verse“, sehen konnte. Um die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft geht es mir heute aber gar nicht. Sondern um die Figur, die sich seit diesem Jahr nun mittlerweile 50 Jahre ziemlich gnadenlos durch die Panels ballert: der Punisher. Frank Castle allerdings steckt nicht mehr in dem Kostüm mit dem Totenkopf-Emblem.
„Punisher – Das Erbe der Rache“ lässt einen neuen Typen in das Kostüm des Punishers schlüpfen: den ehemaligen SHIELD-Agenten Joe Garrison nämlich. Garrison, dereinst mit dem Beinamen „Totengräber von SHIELD“ versehen, war in der Organisation von Nick Fury der Mann fürs Grobe. Als solcher erledigte er die Jobs, die nicht so richtig mit der fancy Organisation mit ihren Superwesen im Dienst für die gute Sache vereinbar waren.
Der Name des Protagonisten mag ein anderer sein, die Ereignisse, die dazu führten, dass dieser sich ballernd durch die Unterwelt arbeitet, sind der ursprünglichen Geschichte sehr ähnlich. Auch Joe Garrison verlor seine Frau und sein Kind; in diesem Fall starben diese bei einer Explosion, die das traute Heim zerfetzte. Getrieben von dem Wunsch nach Rache und vor allem in dem Glauben, dieser Anschlag hätte ihm gegolten, begibt sich der Punisher auf die Jagd nach den Mördern seiner Familie, während gleichzeitig die Polizei nach ihm fahndet. Diese hält Garrison für den Hauptverdächtigen im Mordfall seiner Familie. Was aber, wenn der Anschlag gar nicht ihm gegolten hatte?
Dieser von Ringo Award-Gewinner David Pepose geschriebene Auftakt einer neuen Serie des Punishers macht schon ziemlich Laune, muss ich sagen. Joe Garrison, obwohl sehr ähnlich angelegt wie das Original Frank Castle, erscheint mir deutlich sympathischer. Auch wenn die Methoden freilich ähnlich fragwürdig sind. In manchen Szenen, nämlich immer dann, wenn der Punisher mit seinen High-Tech Gadgets herumhantiert, erinnert das Gezeigte an Filme wie „The Batman“, in dem der dunkle Ritter mit allerhand Schnickschnack Tatorte untersucht. Die teilweise sehr lebhaften, kräftigen Farben von Dan Brown (nee, nicht der Autor) unterstreichen den filmischen Look, den der Eisner Award-nominierte Künstler Dave Wachter aufs Papier brachte.
Dieser erste Aufschlag ist gewiss nicht die Krone der Comicschöpfung, will sie vermutlich auch gar nicht sein. Aber es sind rund 110 Seiten flotter, ziemlich bleihaltiger Unterhaltung, die all jene glücklich machen dürfte, die auf solche hard-boiled Krimis stehen. Hat mir gut gefallen. Nur eine Sache hat mich immer wieder herausgerissen, was ich letztlich aber mit einigem Amüsement zur Kenntnis genommen habe: Es war wirklich sehr höflich von den Schurken aller Art, sich zunächst mit ihrem Schurkennamen vorzustellen, ehe sie dem Punisher zu Leibe rückten – und nicht selten direkt danach ins Gras bissen.